52 | Vom Kotti bis zum Xenon

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Ein schweres Gewicht drückte meine Lider nach unten, verhinderte, dass ich sie ganz öffnen konnte. Alter. Irgendwann blinzelte ich doch ein wenig. Alles, was ich sah, war die schwarze Flagge an der Wand. Darauf leuchtete ein knallweißes Anarchie-A. Auf der schmutzigen Tapete daneben waren Songzitate und politische Sprüche gekritzelt.

Heilige Scheiße. Wie viel hatte ich gestern bitte gesoffen. Stöhnend drehte ich mich auf den Bauch und zog die Decke über meinen Kopf. Dunkelheit verschlang mich, während ich vor mich hinstarrte und gegen das Grummeln in meinem Magen kämpfte.

Eine Weile starb ich im Halbdunkel des Raums vor mich hin, dann hörte ich, wie die Tür geöffnet wurde. Das Tapsen nackter Füße auf dem Boden. Ich machte mir nicht die Mühe, mich umzudrehen.

»Mach das bitte nie wieder«, beschwerte Lexie sich. »'ne Nacht in deinem Zimmer ist 'ne Zumutung. Hast du jemals das Fenster aufgemacht?«

Gequält stöhnte ich. »Stell dich nicht so an. In deinen linken Schuppen ist doch eh alles verratzt.«

Ein Rascheln war zu hören, dann nochmal Schritte. Stille. Eigentlich sollte ich langsam mal nach meinem Handy schauen, nach den Aufträgen, die heute anstanden. Verdammt. Ich konnte mir so oft Verkatertsein nicht erlauben, wenn ich meine Ziele erreichen wollte. Nur noch paar Minuten. Dann würde ich aufstehen.

»Verpiss dich«, grummelte ich, obwohl ich eigentlich froh war, dass sie da war. Ihre Nähe gestern hatte gut getan und so konnte ich mir zumindest keine Gedanken machen, was jetzt mit Fede war.

»Nee, lass mal. Tommy belagert die Küche und dein Zimmer will ich mir nicht noch länger antun.«

»Fresse.«

»Du sahst übrigens unglaublich friedlich aus, als du gestern gepennt hast. Richtig niedlich«, grinste Lexie und ich vernahm den provozierenden Unterton in ihrer Stimme. Alter. Als ob ich mich drauf einlassen würde. Schon wieder viel zu anstrengend.

Seufzend drehte ich mich auf die Seite. Spürte, wie sich mein Magen zusammenzog. Nicht kotzen, nicht kotzen. Einen Moment lang konzentrierte ich mich, dann ging es wieder. Ich wandte meiner Schwester den Blick zu und sah, wie sie sie sich auf ihrem Sessel mit dem altmodischen Muster niedergelassen hatte. Das Teil hatte sie mal auf dem Sperrmüll aufgetrieben und so sah es auch aus, mit einem halb abgebrochenen Fuß, der es immer zum Wackeln brachte.

»Ich hab echt viel Scheiße gelabert gestern, oder?«, fragte ich, während sie sich pinke Socken überzog. Ihre Leggings hatte ein paar Löcher. Vor sich auf ihrem Schreibtisch hatte sie eine Kaffeetasse und einen Teller mit zwei Toasts abgestellt. Essen. Widerlich. Der Ekel ließ mein Gesicht verziehen.

Grinsend schüttelte Lexie den Kopf. »Nee. Überhaupt nicht. War sehr viel sinnvoller als alles, was du sonst von dir gibst.«

»Mhm.« Einen Moment lang musterte ich sie nachdenklich, wie sie in eines ihrer Nutellabrote biss. Vielleicht würde sie ja noch ein wenig mehr zu dem Thema sagen.

»Was guckst du jetzt so?«, grinste Lexie und wischte sich etwas Nutella aus dem Mundwinkel, leckte den Finger ab.

Ich zuckte mit den Schultern. Hoffte, dass sie mich noch einmal darauf ansprechen würde. Nachfragen, ob ich selbst auf Kerle stand. Warum auch immer sie das tun sollte.

»Hm?« Sie sah mich fragend an. »Du siehst aus, als würdest du was von mir erwarten. Aber keine Ahnung, was.«

»Weiß selber nich«, sagte ich und zog mir die Decke weiter über meinen Körper, rollte mich zusammen. Starrte vor mich hin. Konnte das nicht endlich vorbei sein?

»Wow«, lachte Lexie.

Irgendwie wollte ich es ihr sagen. Dass ich bisexuell war. Aber wie stellte ich das an, ohne dass es erklärend oder rechtfertigend wirkte? Das wär halt auch scheiße. Ich fuhr mit dem Finger über das Spannbetttuch, auf dem ein paar Fusseln lagen.

Die Verlierer - Sklaven des ErfolgsWhere stories live. Discover now