20 | Ein Whirpool voller Nutten

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Es dauerte noch eine ganze Weile, bis das schrille Geräusch unserer Klingel die Stille in der Wohnung zerriss. Ich legte meine Kurzhantel weg, mit der ich bis eben meinen Bizeps trainiert hatte, und griff nach meinem Energydrink auf meinem Nachttisch. Mit ihm in der Hand durchquerte ich unseren Flur. Wie das gleich wohl werden würde?

Ich spürte in meinen Wangen, dass ich nicht anders konnte, als zu grinsen. Verdammt, irgendwie war ich viel zu gut drauf.

Dort wartete ich in der offenen Wohnungstür auf Fede. Setzte die Dose an meine Lippen, schluckte die viel zu süße Plörre runter und fuhr mir nochmal durch die Haare. Meine Beine steckten in meiner schwarzen Jogginghose, dazu trug ich ein graues Shirt, das mit seinem zerknitterten Stoff längst nicht mehr frisch aussah.

Alter.

Ich wollte mir nicht über sowas Gedanken machen. Und ich wollte mich nicht freuen. Fühlte sich vielleicht schön an jetzt, aber letzten Endes machte so ein Verhalten nur verletzlich. Und doch konnte ich nicht anders. Irgendwie war's ja auch echt cool, dass er vorbeikam. Wie damals.

In diesem Moment tauchte Fede schon am Ende des langen Flurs auf. Er trug wieder den dunkelblauen Parka, der vorne offen stand, dazu ein verwaschenes Shirt und dunkle Jeans. Die mit dem Loch am Knie, die auch auf seinem Profilfoto zu sehen war. Seine Haare waren ein wenig durcheinander und irgendwie wirkte er echt müde.

Ich blieb mit der blauen Getränkedose an den Türrahmen gelehnt stehen und bemühte mich um eine neutrale Miene, als er mir näherkam. Auf seinen Lippen lag ein leichtes Grinsen und kurz versuchte ich einzuschätzen, was ihm gerade durch den Kopf ging. Ob er irgendwie noch abgefuckt oder genervt war oder was weiß ich.

Aber keine Ahnung, wenn er keinen Bock hätte, hier zu sein, würde er auch nicht kommen. Das war nicht seine Art.

»Hi.« Ich räusperte mich und grinste dann ein bisschen, ehe ich Fede die Hand hinstreckte. Er schlug ein.

»Wie geht's?«, fragte er und blieb vor mir stehen. Die Hände vergrub er in den Taschen des Mantels, während er mich ansah. Dafür musste er den Kopf nicht mehr so sehr in den Nacken legen wie das damals in der Schule der Fall gewesen war. Jetzt reichte er mir etwa so zur Nase.

»Jetzt ernsthaft«, setzte ich an und trat dann zur Seite, um ihn in die Wohnung hereinzulassen. Er tat es. Zwei volle, vor sich hin stinkende Mülltüten standen im Flur auf dem Boden, darüber ein Bilderrahmen von meiner Alten mit Lexie auf dem Arm, als diese noch ein nerviges Baby gewesen war. Nichts an dem Lächeln meiner Mutter wirkte so schwermütig wie heute. »Ich hab' irgendwie nich' gedacht, dass du mir nach neulich schreiben würdest. Ehrlich. Null.«

»Eigentlich war ich auch echt abgefuckt«, meinte Fede, ehe er in die Hocke ging und seine Chucks aufschnürte. »Ich mein, erst quartierst du dich ein, ohne dass dich jemand gefragt hat, und dann tust du nichts anderes als dich wie ein Wichser zu verhalten. Aber gut ... hab' ich je was anderes erwartet bei dir?«

»Und jetzt bist du trotzdem da. Scheinbar kann ich's halt.« Ich warf ihm einen selbstüberzeugten Blick zu.

Lachend sah er zu mir hoch, als er sich die leicht durchnässten Stoffschuhe von den Füßen streifte und sie ordentlich nebeneinander auf den Boden stellte. »Bild dir nur mal nichts drauf ein. Ich bin nur vorbeigekommen, weil ich dich endlich bei Mario Kart besiegen will.«

»Was du eh nie schaffst. Erinnerst du dich? Du hast nur gewonnen, wenn ich dich gewinnen hab' lassen.«

»Wer weiß. Vielleicht hab' ich die letzten Jahre nonstop geübt? Nichts anderes getan?«

Die Verlierer - Sklaven des ErfolgsWhere stories live. Discover now