6 | Ihr habt Gift geleckt

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»Weißt du, was das Ding wert ist?« Kiral hielt die Uhr in die Luft und seine Mundwinkel zuckten so belustigt, als würde er jede Sekunde in einen Lachanfall ausbrechen. Zwischen seinen Fingern brannte wieder eine Zigarette und seine Haare waren noch fettiger als beim letzten Mal.

»Weiß ich nicht, Statussymbole jucken mich einen Dreck. Das' für Leute, die ihre Schwanzlänge kompensieren müssen.« Ich lehnte mich in dem Sessel zurück. So entspannt, als würden mich seine Worte überhaupt nicht jucken.

»Keine fünfzig Euro.« Er sah die Uhr einen Moment lang verächtlich an und schmiss sie dann in den Müll. Spott lag auf seinem Gesicht, als er sich mir wieder zuwendete. Ein gedämpftes Licht fiel von der Deckenlampe, die von Zeit zu Zeit ein wenig flackerte.

Wie erbärmlich. Wie er einfach erwartete, ich würde mich von so einer Reaktion verunsichern lassen.

Einen Moment lang sahen wir uns einfach an und ich tat ihm nicht die Genugtuung, nachzugeben und wegzuschauen, auch wenn alles in mir danach schrie. Angespannt wartete ich seine Reaktion ab. Ich war nicht von ihm abhängig, aber ich wusste, dass es eine verdammt große Chance war, mit ihm zusammenarbeiten zu können. Er gehörte zu den Leuten, mit denen ich es mir nicht wegen Kleinigkeiten verscherzen wollte.

Ich war ersetzbar für ihn, das wusste ich. Also war es definitiv nicht an der Zeit, mich zu überschätzen. Eine große Fresse riskieren, ja, aber immer genau so weit, wie ich gehen konnte.

»Ich will morgen den Rest sehen«, forderte er dann und griff sich die einzelnen Geldscheine, die ich eben auf den Glastisch zwischen den beiden Sesseln geknallt hatte. In aller Seelenruhe stapelte er sie aufeinander, so ordentlich, als wäre er ein verdammter Autist oder so.

Ich ließ meinen Blick flüchtig in Richtung der Tür gleiten und verengte ihn dann, fokussierte Kiral. Auch heute trug er ein weißes Hemd. »Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Ich bin Dealer, kein Laufbursche. Sei froh, dass ich das überhaupt mach'.«

Kiral lachte. Ich hasste sein ekelhaftes Lachen, das ein wenig klang wie eine zugedröhnte Hyäne. »Ich kenne Jungs wie dich. Die das erste Mal Macht spüren und jetzt glauben, sie hätten alles erreicht. Lass mich dir eins sagen: Ihr überschätzt euch alle. Ihr alle. Ihr habt Blut geleckt, aber in Wahrheit war's Gift, dass euch innerhalb ein paar Tage zu Fall bringen wird.«

Beim Reden drehte er den dicken, goldenen Ring, den er um seinen kleinen Finger trug, ließ aber seinen Blick weiterhin auf mir ruhen.

»Hörst dich selber gerne reden, was? Aber ich bin nich' hier für irgen'welche Predigten.« Ich zog meine Zigarettenschachtel aus der Hosentasche. Warf sie in die Luft und fing sie wieder, während ich meinen Blick mit zusammengezogenen Brauen auf Kiral ruhen ließ.

»Du hast keinen Respekt«, sagte er mit seiner widerlichen trägen Stimme. Ehrlich, das weckte noch mehr Aggressionen in mir, als ich ohnehin schon verspürte. »Du bist wie sie alle.«

Ich hob die linke Braue ein wenig. »Okay«, meinte ich dann desinteressiert. Auf seine Meinung gab ich keinen Fick, wie die aller anderen. Da war es mir egal, was für Geschichten man über ihn hörte. Dass er was damit zu tun hatte, als letztens auf dem Mehringdamm ein Typ aus einem fahrenden Auto heraus erschossen wurde.

Er beugte sich ein wenig vor und sah mich aus seinen dunklen Augen heraus an. »Wir sehen uns morgen. Mit dem ganzen Geld«, sagte er und in seinen Worten schwang so viel Bestimmtheit mit, dass ich kurz zögerte und dann nickte.

Ich erhob mich und nickte ihm flüchtig zu. »Hau rein«, sagte ich knapp.

»Auf Wiedersehen, Junge«, sagte er und klopfte die mittlerweile recht lange Asche von seiner Zigarette. »Pass auf dich auf.« Das falsche Grinsen auf seinem Gesicht ließ die Worte nach einer Drohung klingen.

Die Verlierer - Sklaven des ErfolgsWhere stories live. Discover now