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Zwei weitere Wochen vergingen, in denen ich jeden Tag etliche Kilometer hinter mir liess. Das Eichhörnchen, welches ich angeknurrt hatte, begleitete mich stets und leistete mir Gesellschaft. Jeden Tag traute es sich näher in meine Nähe, da es bemerkte, dass ich es nicht verspeisen wollte.

In Gedanken hatte ich ihm sogar schon einen Namen gegeben. Jumper. Ich wusste es war bescheuert, aber ich vereinsamte langsam und der Name passte zu ihm, wenn es denn wirklich ein Männlein war.

Der Wald und die Umgebung fing an, sich zu verändern. Ein kalter Wind wehte durch mein Fell und liess mich, trotz dass es Hochsommer war, frösteln. Auch Jumper schien das zu spüren und es passte ihm überhaupt nicht, denn er versteckte sich in meinem Fell.

Einige Schritte weiter blieb ich abrupt stehen, weil ein alter Mann in meinem Sichtfeld erschien, der auf dem Waldboden zu meditieren schien. Zum Glück hatte ich gute Augen und war noch genug weit weg, sodass er mich nicht bemerken konnte.

Leise zog ich mich zurück, doch als er fast aus meinem Sichtfeld verschwand, erhob dieser sich, drehte sich um und blickt mir direkt in die Augen.
Wie um alles in der Welt?!

Vor Schrecken erstarrt brachte ich es nicht fertig noch die kleinste Bewegung zu machen. Jumper spähte vorsichtig zwischen meinen Ohren hindurch und duckte sich, als er sah, dass der alte Mann mich anblickte.

Hinter seinen langen, weissen Haaren versteckte sich ein altes, runzliges Gesicht. Seine Augen sagten mir, dass er schon lange auf dieser Welt lebte und einiges erlebt hatte. Hinter seinem ebenfalls langem, weissen Bart erschien ein vertrauenswürdiges, warmes Lächeln.

„Da bist du ja endlich.", begrüsste er mich, als hätte er mich längst erwartet.
Perplex blickte ich nach rechts, links und hinten, um zu überprüfen, ob er jemand anders meinte, doch anscheinend meinte er wirklich mich, da ich niemanden sehen konnte.

„Ja, ich meine dich, Tiana.", sprach er weiter, um meine Vermutung zu bestätigen. Neugierig stellte ich meine Ohren auf und näherte mich ihm zögerlich und aufmerksam.

Der alte Mann schien keine Eile zu haben und wartete geduldig, bis ich ihm fast gegenüber stand. „Willst du dich nicht verwandeln, damit du deine menschliche Form wieder einmal frei lassen kannst?", forderte er mich auf.

Mit gemischten Gefühlen sah ich mich um und suchte nach Gefahren.
„Du musst dir keine Sorgen machen, du bist in Sicherheit.", meinte der alte Mann amüsiert. Irgendetwas sagte mir, dass ich, was das anging, ihm vertrauen konnte.

Ich stellte mir meine menschliche Form vor, was am Anfang nicht wirklich leicht war, da ich zu selten als Mensch unterwegs war. Doch endlich spürte ich, wie mein Körper begann sich zu verwandeln.

„Du ähnelst sehr deiner Mutter, doch die Augen hast du von deinem Vater.", lächelte er mich an.
„Wer sind Sie?", stellte ich nun endlich die Frage, die sich mir als erstes in den Kopf gedrängt hatte.

„Ein Bekannter einer Freundin deiner Eltern.", antwortete er indirekt. „Deine Eltern haben dir einen schönen Namen gegeben, der ihrem ähnelt. Als Dank, dass sie die Freiheit deiner Eltern sicherstellte."

Skeptisch sah ich den alten Mann an. Meine Eltern hatten nie einen Namen aus den Geschichten erwähnt. Als Schutz, hatten sie mir immer gesagt.
Und langsam wurde mir bewusst, dass sie das wirklich so gemeint hatten. Hätten diese bösen Männer einen Namen erfahren, wäre dies eine Gefahr für die Freunde meiner Eltern.

„Sie meinen die Freunde im verfluchten Wald?", sprach ich den Wald an, in der Hoffnung, etwas mehr darüber zu erfahren.

„Ja, genau die.", begann er zu sprechen, doch seine Aufmerksamkeit wurde auf etwas anderes gezogen. „Wie ich sehe, hast du ein Begleiter.", zeigte er auf Jumper, der sich langsam in unsere Nähe traute. „Ja.", lächelte ich. „Ich nenn ihn Jumper."

Jumper sah mich mit schrägem Blick an, was mich zum Lachen brachte. „In Wirklichkeit heisst er aber Milo.", schmunzelte der alte Mann.
„Was, er hat einen richtigen Namen?", staunte ich nicht schlecht. „Na klar, meine liebe Tiana. Milo ist ein Gestaltwandler.", klärte er mich auf.
Das hätte ich nie und nimmer kommen sehen! Ungläubig sah ich zwischen Milo und dem alten Mann hin und her.

„Was? Wie? Aber..", brachte ich abgehackt aus mir raus. Milo sah mich entschuldigend an, während der alte Mann noch immer schmunzelte. „Er ist ebenfalls alleine und auf dem gleichen Weg, wie du." Nun war auch Milo neugierig geworden, denn er stellte seine Ohren hoch.

„Na komm.", forderte der alte Mann ihn auf und deutete auf den Platz neben mir. „Zeig dich deiner Begleiterin in deiner anderen Gestalt."
Jumper - oder wie der alte Mann ihn nannte, Milo - sah mich an und ich nickte ihm ermutigend zu.

Kurz darauf hin stand ein Typ, etwa in meinem Alter, vielleicht 3-4 Jahre älter, vor mir. Seine fast schwarzen Augen musterten mich, während ich ihn musterte. Er war einen halben Kopf grösser als ich, hatte dunkelbraune, verwuschelte Haare und eine Narbe an seinem rechten Ohr, was den Riss erklärte, wenn er ein Eichhörnchen war.

Ich wollte mich ihm vorstellen, doch brachte ich kein Wort hervor, was im Nachhinein besser war, denn er kannte meinen Namen bereits.

„Woher wussten Sie, dass ich kein normales Eichhörnchen war?", fragte er den alten Mann mit etwas rauer Stimme. „Junger Mann.", lächelte der Mann amüsiert. „Ich bin kein gewöhnlicher Mensch und genug lang auf dieser Welt, um solche Sachen zu erkennen."

„Was meinen Sie damit, kein gewöhnlicher Mensch?", fand ich dann doch endlich wieder meine Stimme.
„Ich bin ein Schamane.", sagte er bloss und schien vom Thema abweichen zu wollen.

„Woher wissen Sie, dass ich auf dem gleichen Weg bin, wie sie, aber ich keine Ahnung davon habe?", fragte Milo ihn. „Das mein lieber Junge ist und bleibt ein Geheimnis.", zwinkerte der alte Mann ihm zu.

„Können Sie mir sagen, ob ich überhaupt auf dem richtigen Weg bin?", kam es verzweifelter aus mir raus, als ich zulassen wollte.
„Tiana, wenn du nicht auf dem richtigen Weg wärst, dann wären wir uns nicht begegnet.", lächelte der alte Mann mich an. „Ihr seid nah, aber doch noch fern. In etwa zwei Wochen solltet ihr in ein Dorf kommen, welches sehr geprägt von diesem Wald ist. Seid ihr erst mal da, habt ihr es bald geschafft."

Verwundert blickte ich zu Milo rüber, welcher genau das selbe tat und als ich zurück sah, war der alte Mann verschwunden.
„Was zum..?! Wo ist der hin?", rutschte es überrascht aus mir raus. Milo zeigte die selbe Reaktion und zuckte mit den Schultern.

„Jumper? Echt jetzt?!", grinste Milo mich an. „Sorry, ich wusste nicht, dass du ein Gestaltwandler bist und egal welche Gesellschaft, ich konnte sie gut gebrauchen.", meinte ich etwas verlegen. „Aber du hättest dich mir ruhig zeigen können."

„Ich war mir nicht zu 100 Prozent sicher, ob du ein Gestaltwandler warst. Klar gab es da ein paar Anzeichen, wie dass du mich nicht fressen wolltest und einen Rucksack im Maul trägst. Aber du hast dich nicht ein einziges Mal verwandelt, nicht einmal zum baden.", erklärte er mir.

„Das Wasser war eisig kalt..", begründete ich das Baden als Wolf.
„Du hast also das gleiche Ziel wie ich?", wechselte ich das Thema.
„Scheint so. Bis eben wusste ich nicht, was mein Ziel ist.", antwortete er mir.
„Wie? Du wusstest nicht, wohin du gehst?", hakte ich neugierig nach.
„Nein. Vor einer Weile, drängte mich ein Gefühl, in die Welt hinaus und so hatte ich mich auf den Weg gemacht.", lächelte er mich an. „Wie es aussieht, hat es dich in die selbe Richtung gezogen."

„Nein, bei mir ist das was anderes..", sagte ich bloss und sah mich um. Die Müdigkeit hatte mich eingeholt und mir fiel es immer schwerer, die Augen offen zu halten. „Wie meinst du das?", hakte Milo verwirrt nach.
„Ich will nicht darüber reden.", meinte ich abweisend, verwandelte mich wieder in einen Wolf und machte es mir gemütlich.

Seufzend setzte Milo sich mir gegenüber auf den Boden und lehnte mit dem Rücken an einen Baum.
Kaum hatte ich die Augen geschlossen, sank ich schon in den Schlaf.

Hybrid - Tochter einer halben WölfinWhere stories live. Discover now