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Panisch schreckte ich aus meinem Schlaf. Schon wieder hatte ich diesen schrecklichen Albtraum, wie jede Nacht. „Scht, scht. Du bist hier in Sicherheit.", flüsterte Milo mir beruhigend ins Ohr und hielt mich fest in seinen Armen. Es gelang ihm tatsächlich, dass ich mich schneller beruhigte, als jemals zuvor. Erschöpft lehnte ich mich an ihn und wartete, bis mein Herzschlag sich wieder normalisiert hatte. „Danke.", murmelte ich gegen seine Brust. „Immer.", antwortete er und drückte mich schnell, bevor er mich los liess.

„Hast du Hunger?", fragte er und kaum hatte er es angesprochen, knurrte mein Magen zur Antwort. „Ja.", grinste ich ihn an. „Gut, denn ich hab gehört, dass es hier ein riesiges Frühstücksbuffet gibt.", strahlten seine Augen. „Das klingt toll.", sah ich ihn begeistert an und hüpfte aus dem Bett. Etwas zu schnell, denn mir wurde kurz schwarz vor Augen, weshalb ich mich schnell an der Wand abstützte, bevor ich einen weiteren Schritt tat.

Kaum betrat ich das Restaurant, kam ich nicht mehr aus dem Staunen raus. Das Buffet war riesig und überall wo ich hinschaute, sah ich tonnenweise leckeres Essen. Auch Milo neben mir hatte sichtliche Schwierigkeiten, sein Staunen zu verbergen. „Guten Morgen,
ihr zwei.", begrüsste uns die Frau von gestern freundlich. „Guten Morgen.", grüsste Milo freundlich zurück und ich lächelte sie höflich an.
„Ihr seht aus, als hättet ihr einen Bärenhunger.", lächelte sie und winkte uns zu sich. „Kommt, ich zeige euch einen freien Tisch."

Offensichtlich hatte sie bemerkt, dass wir nicht gerne mitten im Geschehen waren und bot uns einen Tisch ganz am Rande, ein bisschen abgeschottet, an.
„Wenn ihr noch einen Wunsch habt, den ihr nicht am Buffet findet, hegt keine Scheue und sagt es mir. Ganz egal was.", betonte sie den letzten Satz extra und ging wieder.
„Was meinst du, wieso hat sie das letzte extra betont?", fragte ich Milo, doch auch er hatte fragend die Stirn gerunzelt und zuckte mit den Schultern.

„Keine Ahnung. Aber das interessiert mich im Moment nicht die Bohne. Hast du das Buffet schon gesehen?", glänzten seine Augen voller Freude, als er an das Essen dachte. „Ja du Tollpatsch, ich stand direkt neben dir, als du fast zu sabbern angefangen hast.", schmunzelte ich, erntete einen bösen Blick von ihm und ging schon mal auf Essensjagt.

Da ich nicht wusste, was ich als erstes essen sollte, lief ich erst einmal das ganze Buffet ab und sah mir alles ganz genau an. Angefangen hatte es mit den verschiedensten Brötchen, Croissants, Zöpfe und Brote. Daneben stand eine Vielfalt von Konfitüren und anderen Aufstrichen, die ich nicht kannte. Diverse Jogurts standen gekühlt bei den Früchten und Müslis. Daneben empfing mich eine ganze Palette an Käse, Fleisch und sogar Lachs. Etwas weiter wurde die warmen Speisen frisch zubereitet. Wie etwa Rührei, Speck, Würstchen, Spiegelei oder Griessbrei und Milchreis.
Danach standen zwei Kaffeemaschinen, welche jede mögliche Art von Kaffee zubereiteten. Als nächstes kamen verschiedene Sorten von Tee, Milch, Schokoladenmilch und diverse Säfte.
Und zu guter Letzt waren noch einige Süssspeisen ordentlich hingestellt.

Jedenfalls hatte ich am Schluss zu viel gegessen und hielt meinen vollen Magen, der schon fast schmerzte, so vollgefressen war ich. Im Gegensatz zu mir ging es Milo prächtig, trotz dass er einiges mehr als ich gegessen hatte. „Gehts dir nicht mies, weil du zu viel gegessen hast?", fragte ich ihn verwundert. „Nein, mir ging es noch nie schlecht, weil ich zu viel gegessen habe.", grinste er mich an. „Wie das denn? Verdaust du, bevor du beginnst zu essen?", musste ich lachen, was meinem vollen Magen nicht gut tat.
„Könnte man so sagen. Nein, keine Ahnung warum.", grinste er weiter und fühlte sich pudelwohl.

„Also was wollen wir heute machen?", fragte ich ihn, hielt aber meinen Magen, da ich doch noch ein bisschen Zeit zum Verdauen benötigte. „Wie wärs, wenn ich schonmal versuche zu erfahren, wo wir genau sind, während du dein Essen ordentlich verdaust?", zwinkerte er mir belustigt zu und ich streckte ihm aus Reflex die Zunge raus.
Aber der Vorschlag klang zu schön, als dass ich ihn hätte ablehnen können und ich nickte.

„Bis später.", gab er mir einen Kuss auf den Scheitel, als er aufgestanden war. „Pass auf dich auf.", flüsterte ich ihm zu und dann war er verschwunden.
„Kann ich dir noch etwas bringen?", kam die Frau wieder. „Nein danke. Erst muss ich alles verdauen.", schmunzelte ich vor mich hin und sie nickte. Als sie gehen wollte, hielt ich sie doch zurück.
„Tut mir leid, aber können Sie mir bitte verraten, warum Sie uns immer wieder Blicke zuwerfen?", sprach ich sie direkt darauf an.

Verdutzt blickte sie mich an. „Nicht hier. Ich hab in fünf Minuten Pause. Draussen vor den Damentoiletten.", flüsterte sie schnell, tat danach so, als hätte ich noch was bestellt oder ein Feedback gegeben und verschwand.
Ich wartete noch zwei weitere Minuten, bevor ich mich erhob und aus dem Restaurant lief. Vor den Damentoiletten hielt ich an und wartete. Während ich überlegte, ob ich rein gehen sollte oder nicht, kam sie schon auf mich zu und zog mich mit sich. Ich wollte schon protestieren, als sie mir deutete, dass ich leise sein soll.

Hinter einer Garderobe hielt sie dann endlich an und drehte sich zu mir. „Also wieso schauen Sie immer zu uns?", fragte ich erneut. „Eigentlich nur zu dir.", korrigierte die Frau mich.
„Was? Wieso?", war ich leicht überrascht. „Ich war mir zuerst nicht sicher, da ich sie seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen hab.", erzählte sie mir. „Wie bitte?", war ich nur noch verwirrter.

„Deine Mutter. Du ähnelst ihr so sehr.
Sie hatte früher hier ausgeholfen. Sie war vom nächsten Dorf und als einzige kam sie ab und zu hier her. Sie war immer so nett zu mir.", erklärte sie nun endlich. „Meine Mutter hat hier gearbeitet?", fragte ich verwundert. Ich konnte es kaum glauben, dass diese Frau tatsächlich meine Mutter kannte. „Naja, nur solange, bis sie ihre Schule abgeschlossen hatte, danach hab ich sie nicht mehr gesehen. Ich hab nur noch gehört, dass sie mit ihrem Mate abgehauen war.", schmunzelte sie am Schluss.

„Sie wissen also davon?", fragte ich sie überrascht, da ich mir sicher war, dass sie ein Mensch war. „Ja, ich kannte damals ihre Mutter und wusste deshalb um das Geheimnis deiner Mutter. Keine Angst, das ist bei mir sicher.", erzählte sie mir. Einerseits war ich erfreut, endlich jemanden zu sehen, die meine Mutter und dessen Mutter kannte. Doch irgendwie hatte ich auch ein mulmiges Gefühl dabei. „Wer weiss es sonst noch?", fragte ich zögerlich.

„Niemand. Dass ich es weiss ist purer Zufall. Eines abends bin ich per Zufall an eine sehr verzweifelte Frau geraten, als sie weinend in einer Gasse kauerte. Ich half ihr und als Dank vertraute sie mir ihre Geschichte an. Erst war ich ziemlich verwirrt, doch ich entschied mich, ihr zu glauben. Sie hatte mir erzählt, dass sie eine Gestaltwandlerin sei und ihre Tierform ein Tiger sei. Sie hatte ihren Mate gefunden, aber sie hielten es seit Jahren geheim, da er ein Wolf war und in dem Rudel, in welchem er lebte, strenge Vorschriften galten. Doch sie war schwanger und wusste nicht, was sie tun sollte. Ich gab ihr den Rat, dass sie es wenigstens ihrem Mate erzählen soll und dann würden sie bestimmt einen Weg finden."

Gespannt hörte ich ihr zu und unterbrach sie nicht, da ich noch mehr erfahren wollte.
„Einige Jahre später kam ein junges Mädchen bei mir vorbei und fragte nach einem Ferienjob. Ich erkannte sie sofort als die Tochter dessen Frau wieder und gab ihr etwas Arbeit. Sie war fleissig und freundlich, aber auch recht ruhig. Ich wusste, dass sie ein grosses Geheimnis mit sich trug und sprach sie nie darauf an, da ich wusste, welche Folgen das haben könnte, wenn es jemand anderes erfuhr. Jedenfalls unterstützte ich sie, wo ich nur konnte. Zu ihrem Glück wurde die Aufmerksamkeit der Dorfbewohner auf eine andere Person gezogen, welche halb Wolf, halb Mensch war und so konnte sie sich in Hintergrund halten, ohne dass es jemand bemerkte."

Die alte Frau schwelgte in den Erinnerungen und bekam leicht feuchte Augen. „Wie geht es ihr?", fragte sie nach einer Weile und mir stiegen die Tränen in die Augen.
„Oh, Kindchen, das tut mir schrecklich Leid.", verstand sie sofort und drückte mich kurz an sich. „Wenn du was brauchst, dann sag es mir.", flüsterte sie in mein Ohr, bevor sie sich von mir löste und wieder an die Arbeit ging.

Schnell rannte ich hoch ins Zimmer und hätte mich am liebsten unter die Decke verkrochen und geweint. Aber stattdessen verwandelte ich mich in einen Wolf und hoffte, dass Milo als Eichhörnchen unterwegs war. „Milo?", fragte ich in die Stille hinein. „Tiana. Was gibts?", antwortete er sofort und ich war erleichtert, wie noch nie, seine Stimme zu hören. „Komm zurück, ich muss dir was erzählen.", sagte ich ihm, bevor ich mich wieder in einen Menschen verwandelte und im Zimmer ungeduldig hin und her lief, bis er endlich kam.

Hybrid - Tochter einer halben WölfinWhere stories live. Discover now