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Das Training heute war körperlich eine Pause, dafür geistig umso anspruchsvoller. Er erklärte mir, wie ich mit meinem Monster umzugehen hatte. Nachdem ich die Übungen wieder und wieder durchgeführt und all seine Anweisungen befolgt hatte, war ich total ausgelaugt.

„Oh man, das ist anstrengender, als jedes andere Training.", murmelte ich erschöpft. Daniel schmunzelte und setzte sich mir gegenüber ins Gras. „Ja, das ist kein Zuckerschlecken.", bestätigte er mir und sah mich genau an. „Ich würde dich gerne noch länger trainieren, bevor du mit einer Gruppe aufbrichst. Aber ich glaube ein bisschen Abwechslung würde dir ganz gut tun."

„Kann schon sein.", murmelte ich bedrückt. „Aiden wird ein Auge auf dich haben und aufpassen, dass dir nichts geschieht.", sprach Daniel weiter und versuchte mir meine Bedenken abzunehmen. „Und was ist, wenn es passiert? Wenn das Monster gewinnt?", offenbarte ich ihm meine Sorgen. „Du bist stärker als dieses Monster und du bist Herr über deinen Körper. Vergiss das nie.", sprach er eindringlich auf mich ein. „Führe die Übungen regelmässig durch. Irgendwann wird es dir leichter ergehen."

„Wie lange?", fragte ich nach. „Das kommt ganz darauf an, wie fleissig du übst und wie stark dein Wille ist.", antwortete er und sah in die Ferne. Ich sah ihm an, dass er gerade in seinen Erinnerungen schwelgte. „Ist es dir seit da an immer gelungen, das Monster zurück zu drängen?", fragte ich aus lauter Neugier. „Zurück drängen, dass es nicht raus kommt, ja.", bestätigte er meine Frage irgendwie komisch.

„Wieso solch eine Antwort?", hakte ich nach. Daniel sah zu Boden und seufzte, als er sich an etwas erinnerte. Er schien fast so, als ob er sich für etwas schämte. „Einmal hatte ich das Monster bewusst raus gelassen. Ich musste. Wir wurden angegriffen und hatten keine Chance gegen die, ohne dass es viel Tote gegeben hätte. Nathan schrie mir zu, dass ich es raus lassen soll. Ich liess es zu und dann war ich bloss noch eine Hülle, gefüllt mit Wut, Hass und Mordslust. Als es dann darum ging wieder die Oberhand zu gewinnen, schaffte ich es nicht. Dabei hätte ich fast meine Frau getötet, als sie sich in Menschengestalt vor mich stellte."

Ich hörte, wie sehr es ihn beschäftigte. Und das noch nach all der Zeit. „Danach habe ich es nie mehr zugelassen."
Eine Weile sagte niemand was und ich liess diese Geschichte in mir sacken. Ich konnte ihn gut verstehen. Schliesslich hätte ich auch jeden angegriffen, der sich mir in den Weg stellte. Nur dass ich einen Alpha hatte, der zu mir durchgreifen konnte. Dies hatte Daniel nicht, denn er war ja der Alpha. Ich wollte mir nicht vorstellen, was geschehen wäre, wenn er mich nicht aufgehalten hätte.

„Wie hat sie dich doch noch zur Besinnung gebracht?", drängte sich diese Frage in meinen Kopf. „Es war die Liebe.", lächelte er und seine Augen leuchteten auf, als er an sie dachte. „Sie hatte mich all ihre Gefühle durch unsere Mate-Verbindung spüren lassen." „Mate-Verbindung?", fragte ich, da ich noch nie davon gehört hatte.
„Diese Verbindung entsteht, wenn sich beide gegenseitig markiert haben. Dann kann man, wenn man sich darauf einlässt, die Gefühle der anderen Person spüren und zum Teil sogar Gedanken erfühlen. Oder zum Beispiel spüre ich auch, dass meine Frau in ein paar Sekunden bei mir sein wird.", erklärte er mir lächelnd.

Meine Eltern hatten mir nie davon erzählt und nun fragte ich mich, wieso sie das nie taten. „Mach ihnen keine Vorwürfe, du warst noch nicht genug alt, als dass dieses Thema wichtig gewesen wäre.", hörte ich Rhianna, welche nun wirklich bei uns war. Daniel war aufgestanden und gab ihr einen liebevollen Kuss, welchen sie lächelnd erwiderte. „Ich hatte von dieser Verbindung erst erfahren, als wir sie schon hatten.", grinste sie ihren Mann vorwurfsvoll an, welcher leicht verlegen zurück lächelte.

„Wie lief das Training?", fragte sie mich interessiert. „Ich hab Angst, dass ich es nicht hinkriege.", gab ich meine Bedenken zu. Fragend sah sie zu Daniel, welcher sofort seine Meinung äusserte. „Sie ist stark und hat das Training gut gemeistert, für dass es das erste Mal gewesen war. Es wird schon gut gehen, da bin ich überzeugt davon."
Dann wandte er sich direkt an mich. „Tiana, ich weiss, dass du das kannst. Du darfst bloss deine Übungen nicht vernachlässigen, dann kommt alles gut." Dankbar nickte ich und versuchte zu lächeln.

„Jetzt solltest du unbedingt jemanden besuchen, der es kaum erwarten kann, dich zu sehen.", zwinkerte sie mir zu und ich erhob mich. „Darf ich euch noch was fragen?", fragte ich sie, bevor ich mich zum gehen abwandte. Beide sahen sie mich fragend an. „Wieso seid ihr so nett zu mir? Also warum kümmert ihr euch so sehr um mich?"

Die beiden lächelten sich an, bevor Rhianna das Wort ergriff. „Wir waren in der Zeit, in welcher deine Eltern hier waren, gut mit ihnen befreundet. Du bist wie eine Nichte für uns. Auch bist du mit Malea und unseren Jungs gut befreundet. Wir wollen dir dein Leben ein bisschen verschönern und dir helfen, wo wir nur können." Wortlos starrte ich sie an. Schon sehr lange hatte ich keine Bezugsperson mehr gehabt und sie zwei übernahmen diesen Part ohne zu zögern.

Zugegeben sah ich sie wirklich schon als jene. Sie boten mir immer ihre Hilfe oder ihren Rat an und unterstützten mich bei meinen Problemen. „Wie kann ich euch bloss danken?", flüsterte ich fassungslos. „Es gibt nichts zu danken. Das tun wir gerne.", lächelte Rhianna mich an und Daniel nickte bestätigend.

Überwältigt von den Gefühlen die mich gerade überrollten, schlang ich meine Arme um Rhianna und drückte sie an mich. „Danke.", flüsterte ich in ihr Ohr. Sie erwiderte die Umarmung und drückte mich nach meinem Danke, bevor sie mich wieder los liess. Fragend sah ich zu Daniel, welcher kurz zögerte, dann jedoch seine Arme ausbreitete und ich stürzte mich ebenfalls in seine Arme. Auch ihn drückte ich an mich, doch ins Ohr flüstern konnte ich nicht. Ich war zu klein dafür und so murmelte ich bloss gegen die Brust.

Doch er hatte es verstanden, denn als Antwort hörte ich ein ruhiges Brummen in seiner Brust. Sobald ich mich wieder von ihm löste, hob Rhianna eine Hand und wischte mir eine Träne von den Wangen. Überrascht fasste ich selbst an die Wange und spürte, dass sie nass war.

„Du solltest jetzt unbedingt noch jemanden besuchen gehen.", lächelte sie mich an und ich nickte. Sie hatte Recht. „Wir werden uns morgen noch sehen, bevor du mit Aiden mitgehst."
„Na dann, bis morgen.", verabschiedete ich mich von ihnen und winkte noch kurz, bevor ich zwischen den Bäumen verschwand.

Hybrid - Tochter einer halben WölfinWhere stories live. Discover now