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Es war der reinste Horror. Immer wenn ich dachte, dass Daniel streng wäre, kam Nathan und forderte noch mehr von mir. Und wenn ich dachte es könnte nicht mehr schlimmer werden, kam Daniel wieder und setzte noch einen oben drauf. Ich war schon total durchgeschwitzt und Aussicht auf eine Pause gab es keine. Sie wussten, dass es mir nicht gut ging, Rhianna hatte Daniel gesagt, dass sie mich ablenken sollten. Und sie taten alles in ihrer Macht stehende, um dies durchzusetzen.

„Komm schon, Tiana, da überholt dich bald eine Schnecke.", zog Nathan mich auf, als ich beim Laufen langsamer wurde, da meine Lungen brannten. Ich hatte noch nie Probleme damit gehabt meine Ausdauer herauszufordern, aber mit denen beiden war das kein Ausdauertraining mehr. Das war reinste Folter. Wir rannten in Höchstgeschwindigkeit über eine Stunde lang und erst da kehrten wir um und taten das Selbe nochmals.

Ich zog eine verbitterte Grimasse, als Nathan mich aufzog und kratzte meinen Willen zusammen. Auf keinen Fall hatte ich vor aufzugeben. Das liess mein Ego nicht zu. So begann ich mit brennender Lunge und stechenden Seiten meine Geschwindigkeit hochzuschrauben, bis es nicht mehr schneller ging und rannte zurück zum Anfang. Als ich vorne Daniel als Wolf sah, der gemütlich auf der Wiese sass und auf uns wartete, versuchte ich noch schneller zu werden und Nathan zu überholen.

Stück für Stück näherte ich mich ihm und als er das sah, legte er extra an Tempo zu und grinste mich frech an.
Endlich am Ziel verringerte ich meine Geschwindigkeit und lief noch eine kleine Runde, um mich zu beruhigen. „Du hast schon viel Ausdauer, wie ich sehe.", sah mich Nathan anerkennend an. „Und du bist noch ziemlich fit für einen alten Mann.", gab ich zurück, merkte aber zu spät, dass ich ihn alt genannt hatte, sah gebannt zu ihm und wartete auf eine Reaktion.

Nathan sah zu Daniel und wieder zu mir zurück. Dann fing er lauthals an zu lachen und ich entspannte mich ein kleines bisschen. „Ich mag die Kleine.", lachte er noch immer, als er auf mich zeigte und zu Daniel sprach. „Also gut.", unterbrach Daniel das Gelächter von Nathan. „Jetzt da du einigermassen ausgepowert bist, solltest du schneller die Ruhe deines Geistes finden."

„Die Ruhe meines Geistes?", fragte ich nach, da ich nicht wusste, was dies zu bedeuten hatte. „Ja, wir werden jetzt meditieren. Besser gesagt du und wir versuchen dich davon abzuhalten, was du uns nicht gelingen lassen sollst.", bestätigte Nathan und wischte sich Lachtränen aus den Augen. „Meditieren?", verliess dieses Wort nicht gerade begeistert meinen Mund. „Ich dachte ihr helft mir meine innere Wut oder was auch immer zu kontrollieren."

„Tiana, um dies zu tun, musst du zuerst deinen Geist im Griff haben.", beruhigte Nathan mich, bevor ich völlig aus der Fassung fiel. Vorsichtshalber blickte ich zu Daniel welcher mir bestätigend zu nickte und so gab ich mich geschlagen und begann zu meditieren. Die Übung stellte sich als einiges schwieriger raus, als ich zuerst gedacht hatte. Sie hatten mir erklärt, dass ich geradeaus gucken und einen Punkt fixieren soll. Während dessen würden sie ab und zu in mein Sichtfeld kommen. Ich sollte sie komplett ausblenden und meinen Blick nicht von meinem Punkt abschweifen lassen.

Leichter gesagt als getan. Die ersten zwanzig Versuche scheiterten gleich zu Beginn. Irgendwann fühlte ich, wie mein Geist ruhiger wurde und es einfacher für mich wurde, alles um mich herum auszublenden. Einmal gelang es mir fast, dass beide vor meinem Punkt standen und ich sie nicht sah. Aber dann schnitt Nathan eine Grimasse, welche ich irgendwie sah und mich sofort ablenkte.

Danach forderten sie mich wieder auf, die Übung von vorne zu beginnen. Es gelang mir doch recht gut, da ich schon relativ erschöpft war und fast im Sitzen eingeschlafen wäre. „Wie ich diese Übung zu Beginn gehasst habe.", durchdrang Rhiannas Stimme die Stille und riss mich damit aus der Konzentration. Seufzend liess ich den Kopf hängen. „Sei nicht frustriert. Du hast das gut gemacht. Schliesslich hast du mich komplett ignoriert, als ich vor dir hin und her lief.", zwinkerte sie mir zu, als ich überrascht aufblickte.

„Haben sie dich gefoltert?", witzelte sie, als sie mir eine Hand anbot, um mir aufzuhelfen. Ich nickte schwach lächelnd und sie rollte mit den Augen. „Ruh dich aus, morgen früh gehts weiter.", beendete sie mein Training.
Dankend entfernte ich mich von diesem Ort, drehte mich aber nochmals kurz um und sah, dass nun Rhianna mit den zwei Männern trainierte.

Eine Weile beobachtete ich die drei, bis Nathan sich von ihnen verabschiedete und Daniel und Rhianna zu zweit weiter machten. Ich verfolgte jede ihrer Bewegungen und staunte, wie präzise sie sie ausführte. Genauso bei Daniel und bald sah es so aus, als würden sie kämpferisch miteinander Tanzen. Irgendwann gelang es ihm, ihr zuvor zu kommen und sie zurück an einen Baum zu drängen. Ab diesem Zeitpunkt verdrückte ich mich, da ich spürte, dass es nicht mehr mit kämpfen weiter gehen würde.

Erschöpft schlenderte ich zurück zur Unterkunft und stellte mich unter die Dusche. Ich hatte keine Ahnung, wie lange ich genau darunter stand, doch als ich raus kam, war ich total durchweicht, der Spiegel beschlagen, die Luft glich der einer Sauna und draussen war es dunkel geworden. Mein Magen knurrte, doch Hunger hatte ich nicht wirklich.

Total ausgelaugt legte ich mich ins Bett und sank in den Schlaf. Nur um einige Minuten später wieder hochzuschrecken. Vor meinem inneren Auge sah ich meine Eltern, wie sie umgebracht wurden. Und wenn es nicht sie waren, dann sah ich Milo, wie er Christina küsste. Mit rasendem und schmerzendem Herzen sass ich kerzengerade im Bett und wusste nicht, was ich machen sollte.

Ich brauchte meinen Schlaf, da ich im Training mein Bestes geben wollte. Um die Wut oder was auch immer zu kontrollieren, musst du zuerst deinen Geist im Griff haben. Die Worte von Nathan hallten in meinem Kopf wider und so kam es, dass ich mitten in der Nacht versuchte zu meditieren. Es gelang mir jedoch nicht wirklich, denn das Bild, in welchem Christina sich über Milo gebeugt hatte und ihn küsste, drängte sich gegen meine Abwehr in den Vordergrund und verankerte sich dort.

Schwach liess ich mich im Bett kippen, sodass ich nun lag und mir rannen still die Tränen über die Wangen, bis mich die Erschöpfung in die Dunkelheit riss.

Hybrid - Tochter einer halben WölfinWhere stories live. Discover now