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Am nächsten Morgen wachte ich auf und es war schon einiges los. Erst dachte ich, dass es die normale Morgenroutine war, doch auf den zweiten Blick erkannte ich, dass alle hektisch unterwegs waren. Meine Glieder schmerzten nach dem zusätzlichen Training, das ich bis tief in die Nacht ausgeführt hatte.

„Was ist los?", fragte ich Pearl, die mich fast überrannt hätte. „Ach, Tiana, da bist du ja. Wir müssen schnell los, jemand ist da im Wald und verfolgt uns.", prasselte sie so schnell, dass ich erst ein paar Sekunden brauchte, um es richtig zu verstehen. Kaum hatte ich es realisiert, stand ich schon auf den Beinen und half den anderen mit, alles zusammen zu packen.

Kurz bevor wir abfahrbereit waren, stellten sich meine Nackenhaare auf. „Es ist zu spät.", entfuhr es mir und die umstehenden sahen mich kurz panisch an, bis sie es selbst auch bemerkten.
Ich sah mich schnell um, um einen Überblick der Situation zu erhalten. Im schnellen Hingucken bemerkte ich, dass vier unserer Leute nicht da waren.

Mein Blick scannte die Umgebung ab und entdeckte die anderen tatsächlich hinter einem grossen Stein, der am Wasser lag. Sie wollten gerade zu uns kommen, als Jeff meinen Blick bemerkte und mich ansah. Fast unmerklich schüttelte ich den Kopf, was er sofort richtig deutete und die anderen leise wieder zurück zog.

Dankend nickte er mir zu, zog sich mit den anderen zurück und beobachtete das Geschehen von Weitem. Ich wandte den Blick ab und sah gerade, wie ein paar Leute mit Geländewagen auf uns zugefahren kamen. „Verhaltet euch ruhig.", flüsterte Aiden, sodass wir ihn alle noch hören konnten.

Angespannt beobachtete jeder die Bewegungen der Unbekannten. Sie waren nur mit zwei Wagen unterwegs, was mir leichte Hoffnung verlieh. Sie hielten etwa 50 Meter von uns entfernt an und beim vorderen Wagen ging die Fahrertür auf. Ein junger Mann, etwa in meinem Alter, stieg aus und wartete, bis seine Beifahrerin bei ihm angekommen war, bevor sie sich uns näherten.

„Hallo zusammen.", grüsste der junge Mann uns und lächelte ein falsches Lachen. Aiden, der diese Gruppe leitete, stand bis nach vorne und nickte kurz zur Begrüssung. „Haben wir was falsch gemacht?", fragte er sofort. Die Frau neben dem Mann lächelte zuckersüss. „Nein, wir haben euch per Zufall gesehen und dachten uns, dass wir euch guten Tag sagen kommen."

Es stank gewaltig nach einer Lüge und ich sah mich vorsichtig um. Niemand von unserer Gruppe glaubte dieser Frau. Mein Blick glitt über jeden von unseren Männern und einige davon erwiderten ihn kurz, bevor sie selbst die Situation weiter begutachteten.

„Seid ihr auch zum jagen da?", riss der Mann meine Aufmerksamkeit nach vorne. „Ja, aber wir sind schon fertig und wollen nach Hause.", antwortete Aiden etwas distanziert. „Na dann muss ich wohl nicht fragen, ob wir hier übernehmen können.", grinste dieser Mann und etwas an seiner Art, wie er es gesagt hatte, stellte mir die Haare auf meinen Armen auf.

Ich wollte gerade Aiden bedeuten, dass was faul war, als er ein schlichtes Nein antwortete. Kaum war der letzte Buchstabe über seine Lippen gekommen, grinste die Frau boshaft und gab dem zweiten Wagen ein Zeichen. „Tiana, was ist los?", flüsterte der junge Bär zu mir. „Da stimmt was nicht.", flüsterte ich zurück und er schien mir zu glauben.

Er stupste einige Leute an und bedeutete ihnen, dass was nicht stimmte. Unsere Gruppe wurde allmählich unruhig. Dann öffnete sich eine Tür vom zweiten Wagen und gebannt starrte ich dort hin. Schwarze Stiefel kamen zum Vorschein, seine dunkelbraune Hose war ledrig und das karierte Hemd hatte er in die Hose gestopft. Etwas an diesem Mann sagte mir, dass ich rennen sollte.

Und als dann das Gesicht hinter der Scheibe hervor kam, schrillten alle Alarmglocken in mir. „Lauft!", schrie ich. „Lauft so schnell ihr könnt und rettet euch!" Dieses Gesicht könnte ich nie vergessen. Wie auch? Es suchte mich jede Nacht heim. Er war einer der Leute, die meine Eltern getötet hatten.

Erstaunlicherweise hörten alle auf mich und rannten. Ob es an der Art, wie ich es geschrien hatte lag oder sonst was, wusste ich nicht. Im Augenwinkel sah ich, wie Jeff und die anderen drei zu den Wagen rannten und diese in Sicherheit brachten. Von Pearl wusste ich, dass wir immer einen Sammelplatz hatten, falls mal was schief ging.

Nur wusste ich nicht, wo sich dieser befand. Worüber ich mir auch den Kopf nicht zerbrechen musste, denn der junge Mann hatte Pearl in den Fokus genommen. Schnell verwandelte ich mich und stellte mich vor sie hin.
Der junge Mann grinste boshaft, was mich erraten liess, dass ich genau in ihre Falle getappt war. „Jetzt!", schrie er und von überall um uns herum verteilt kamen die Feinde zu Sicht.

Sie rannten als Wölfe auf uns zu und griffen uns an. Die übrigen von uns, welche es nicht geschafft hatten, zu fliehen, hatten keine andere Wahl, als zu kämpfen. Zahlenmässig waren wir im Nachteil, hielt uns jedoch nicht davon ab, alles zu geben. Zu fest war ich auf den jungen Mann fokussiert, sodass ich nicht bemerkte, wie sich jemand von der Seite anschlich.

Zum guten Glück sah Pearl es rechtzeitig und schnappte nach dem Gegner, bevor er bei mir angelangt war.
Der junge Bär und Aiden kämpften Rücken an Rücken und hatten es gleich mit sechs Gegnern gleichzeitig zu tun. Sam wurde von zwei weiteren Gegnern in die Zwänge genommen, sah aber so aus, als hätte er alles im Griff. Ansonsten hatten es alle anderen geschafft zu fliehen, worüber ich ziemlich froh war.

Schnell half ich Pearl ihren Gegner zu besiegen, da der junge Mann nicht daran interessiert war, gegen mich zu kämpfen, sondern bloss zuschaute. Es gelang uns, ihn so zu verletzen, dass er noch lebte, aber nicht mehr in der Lage war, sich jetzt oder in den nächsten Stunden zu bewegen.

„Tiana, geh und hilf Sam! Ich helfe den beiden Bären.", schrie sie mir zu und ich rannte los, als wir uns schnell vergewisserten, dass niemand von uns verletzt war. Während ich zu Sam rannte, beobachtete ich, wie er einem der Gegner präzise ins Genick biss und dieser schlaff auf den Boden fiel.

Der andere Gegner hatte sich in der Zwischenzeit hinter ihn geschlichen und setzte gerade zu einem Angriff an. Ich beschleunigte mein Tempo noch etwas mehr, obwohl ich schon meine Höchstgeschwindigkeit erreicht hatte und rammte den Gegner mit voller Wucht. Meine Schulter, welche vom vorherigen Tag noch immer schmerzte, ich aber ignoriert hatte, pochte nun umso mehr und ich konnte im Moment nicht mehr auf mein Bein stehen.

Überrascht drehte Sam sich um und riss seine Augen auf. „Tiana, pass auf!", schrie er und in genau diesem Augenblick traf mich etwas hart auf den Kopf und es wurde alles schwarz.

Hybrid - Tochter einer halben WölfinWhere stories live. Discover now