Kapitel 63

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Am nächsten Tag beschloss ich meiner Schwester in der Bibliothek Gesellschaft zu leisten. Sie ging zielsicher zu einem der deckenhohen Regale, zog ein Buch hervor und setzte sich auf einen der beiden weinroten Sessel am Fenster. "Willst du heute nicht tanzen?", fragte sie und sah zu mir herüber, während ich die Regale durchforstete. "Ich hab' inzwischen ziemlich Muskelkater und will mich ein bisschen ausruhen", gab ich zurück und nahm ein dickes Buch in die Hand. Sie schien sich unwohl zu fühlen gefragt zu haben, als sie antwortete: "Oh, stimmt ja." Ich hatte keine Ahnung was Seonghwa ihr erzählt hatte, aber sie wusste, dass ich jetzt einem Menschen glich. Ich bezweifelte zwar, dass er ihr die Wahrheit gesagt hatte, aber es musste plausibel geklungen haben, denn sie hatte es problemlos akzeptiert und sprach nicht darüber. Ich ließ mich mit meiner eigenen Lektüre auf dem anderen Sitzplatz nieder und begann zu lesen. Ich versank für eine ganze Weile in den verschiedenen Legenden über Engel und Teufel, sodass ich um mich herum überhaupt nichts mehr mitbekam. Erst als mich Miso an der Schulter antippte, kehrte ich mit einem heftigen Zusammenzucken in die Realität zurück. Verwirrt sah ich sie an, wie sie sich auf ihrem Platz kniend dem Fenster zugewandt hatte und die Unterarme auf dem Fensterbrett abstützte. "Schau' mal", meinte sie und deutete nach Außen. Ich drehte mich um und folgte ihrem Blick, wo ich durch den Nieselregen zwei Personen auf dem gepflasterten Platz vor dem Schloss ausmachen konnte. Auch drangen Kampfgeräusche und laute Stimmen an mein Ohr. "Mingi und Seong trainieren scheinbar, und das schon eine ganze Zeit lang", erklärte mein Zwilling begeistert. Dann setzte sie eine Frage hinterher: "Hast du das nicht mitbekommen? Die Beiden sind voll laut." "Das Buch war so spannend", rechtfertigte ich mich verlegen grinsend und unser Gespräch kam damit zum Erliegen. Gemeinsam beobachteten wir schweigend die Jungs beim Training, wobei ich meinen Blick mehr auf Seonghwa gerichtet hatte. Ich konnte seine Kraft und Aggression beinahe spüren. War er schon wieder wütend? Er sah aus als wollte er seinen Trainingspartner, den er mit übermenschlicher Geschwindigkeit attackierte, umbringen. "Ich hab eine Idee!", rief meine Schwester plötzlich und sprang auf. Sie zerrte mich am Arm weg vom Fenster und begann fröhlich zu plappern: "Ich weiß jetzt, wie du Seong aus der Fassung bringen kannst!" "Und wie?", fragte ich, wobei mich ihre Begeisterung nervös machte. Sie zog mich hinter sich her aus dem Raum und weiter zu unseren Zimmern. "Wir gehen nur ein bisschen im Regen trainieren", erklärte sie mit einem unschuldigen Blinzeln, aber ihre Augen funkelten teuflisch. Schwungvoll riss sie meine Zimmertür auf und schritt zielsicher zu meinem Kleiderschrank. "Was hast du vor? Ich glaub' nicht, dass mir deine Idee gefallen wird", gab ich zu bedenken, woraufhin sie kicherte. "Manchmal brauchst du einfach einen Tritt in den Hintern", meinte sie grinsend und kramte fröhlich summend in meinem Schrank. Kurz darauf hatte sie scheinbar gefunden, wonach sie gesucht hatte, denn sie drückte mir ein paar Kleidungsstücke in die Hand und wieß mich an, die Sachen anzuziehen.

Angel or devil (Ateez Park Seonghwa)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt