0 2 | a n d e n w ä n d e n r ü t t e l n

7.9K 478 43
                                    

d a n a

"WILLKOMMEN IN DER Druckfabrik!"

Ich klammerte mich an den Riemen meiner Handtasche, während eine Frau Mitte zwanzig mir entgegenstrahlte. Mir war vor Nervosität so schlecht, dass ich Angst hatte, den Mund aufzumachen. Das hier war eine ganz schlechte Idee gewesen. Als mir am Empfang gesagt wurde, ich sollte zwei Minuten warten, bis jemand kam, um sich um mich zu kümmern, hatte ich ehrlich überlegt, einfach wieder abzuhauen.

Ihr Lächeln verrutschte jedoch nicht. "Ich bin Stella Choi, die Person, die dich während deines Praktikums in unserer Redaktion betreut. Aber du kannst mich ruhig Stella nennen."

Sie streckte mir ihre gebrannte Hand entgegen und ich zagte mich fast etwas, als ich merkte, wie blass meine im Vergleich zu ihrer wirkte.

"Hallo", brachte ich schließlich mit einem nervösen Lächeln hervor. "Ich bin Dana Prinz."

"Das weiß ich doch", gab sie mit einem breiten Grinsen zurück. Ich hätte mich am liebsten verkrochen. Mit dem losen Dutt in ihrem Nacken, der ihr das schokoladenbraune Haar aus dem Gesicht hielt und der hochgeschnittenen weißen Bluse, die Rüschen an den Schultern besaß, sah sie so professionell und modisch zugleich aus, das ich mich neben ihr fühlte wie ein Mauerblümchen. Ihre mandelförmigen Augen waren von einem leichten Eyeliner und etwas Wimperntusche umrahmt, doch sie sah nicht aus, als würde sie allzu viel Zeit mit Makeup verschwenden. Wäre ich so hübsch wie sie würde ich das vermutlich auch nicht. "Wir warten schon den ganzen Monat auf dich."

Sofort schoss mir der Gedanke durch den Kopf, dass ich wohl nicht so still unter den anderen Angestellten untergehen konnte, wie ich es mir erhofft hatte. Die Nervosität, die sich tief in meiner Magengegend ausgebreitet hatte, randalierte.

"Aber jetzt bist du ja hier", meinte Stella und mein Neid und meine Bewunderung, dass sie so nett und zuvorkommend war, stieg erneut in mir auf. "Soll ich dir erstmal unsere Räumlichkeiten zeigen?"

Ich nickte, weil ich die Gelegenheit sah, nicht von Fragen durchlöchert zu werden. "Das klingt toll."

Ihr Lächeln wurde breiter. Wahrscheinlich war sie froh, dass ich mich doch nicht als selektiv taubstumm herausstellte. Sie wandte sich in Richtung des offenen Flurs. "Dann folge mir, bitte."

Dicht auf ihren Fersen betrat ich das offene Büro, das im obersten Stockwerk des Gebäudes lag. Ich war überrascht gewesen, wie zentral die Druckfabrik in der Stadt angesiedelt war. Zu Fuß brauchte ich nur zehn Minuten in den Stadtpark, sogar nur fünf bis zur Haupteinkaufsstraße. Die S-Bahn-Station war noch näher.

"Das hier sind die Arbeitsplätze unserer Redakteure", kommentierte Stella, als wir uns einer Reihe großräumiger Schreibtische näherten. Mit einer Stirnseite standen sie an den dunkelroten Ziegelwänden, getrennt durch riesige Segmentbogenfenster, die das helle Licht der Februarsonne in den Raum scheinen ließen. Auf jedem der Tische war ein großer Bildschirm montiert, davor ruhten eine weiße Tastatur und an einigen Tischen, die bereits besetzt schienen einige persönliche Habseligkeiten wie Bilderrahmen oder Kaffeetassen. Vereinzelt waren bereits Redakteure an ihren Arbeitsplätzen und als sie mich und Stella entdeckten, warfen sie uns ein schnelles Lächeln zu, bevor sie sich wieder ihrer Arbeit widmeten.

"Die Aprilausgabe erscheint in einer Woche", meinte Stella, während ich mich noch immer überwältigt in der riesigen Industriehalle, die in ein hippes Büro umgewandelt worden war, umsah. "Deshalb sind alle gerade etwas gestresst. Spätestens während deiner ersten Redaktionssitzung lernst du alle kennen."

Ich verkniff mir ein erleichtertes Seufzen. Sehr gut. Eine Vorstellungsrunde war das letzte, was ich gerade brauchte.

Ich nickte nur verständnisvoll. Stella schenkte mir ein Lächeln, bevor sie an einem der Tische ankam. "Das hier wird dein Reich sein."

phantomschmerz | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt