1 7 | n i c h t v e r s t e c k e n

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d a n a

MITGEFÜHL BREITETE SICH in meiner Magengegend aus, sobald Sophie mit einem gezwungenen Lächeln zu uns trat.

Nach all den Monaten Arbeit, Verzweiflung und Sehnsucht war ihr Tag gekommen. Und Robin war nicht hier.

Ich wollte wütend auf ihn sein, dass er sie ausgerechnet heute im Stich ließ. Nachdem sie immer wieder ihre Ersparnisse zusammenkratzte, um Zugtickets in die Stadt zu kaufen, in der seine Mannschaft gerade spielte, teilweise um ihn danach nur ein paar Stunden zu Gesicht zu bekommen, bevor sie in den nächsten ICE steigen musste, um ihre eigenen Vorlesungen nicht zu verpassen.

Sophie steckte alles in diese Beziehung. Und an Tagen wie diesen taten sich Zweifel auf, ob Robin das ebenfalls tat.

Aber andererseits wusste ich am besten, was es bedeutete, einen Leistungssport zu betreiben und damit erfolgreich zu sein. Dass man für diesen Sport alles andere hinten anstellen musste. Seine eigenen Bedürfnisse, die Bedürfnisse derjenigen, die man liebte. Und manchmal musste man grausam sein, auch wenn man es nicht wollte.

Ich wusste nur nicht, ob Sophie diese Art von Beziehung verdient hatte. Damals, als ich noch im Corps de Ballett gewesen war, hatte ich nicht einmal im Traum daran gedacht, mich so an jemanden zu binden, wie Robin es getan hatte. Bis heute hatte ich noch Zweifel daran, ob ich das jemals können würde.

"Es ist in Ordnung", erwiderte Sophie, sobald sie Maries Gesichtsausdruck sah, der nicht besonders freundlich wirkte. Ich konnte mir vorstellen, wen sie gerade am liebsten heimsuchen würde. "Wirklich. Es ist nur eine Ausstellung. Ich bin ja nicht einmal die einzige, deren Bilder hier hängen."

Es tat beinahe weh zu hören, wie sie ihre eigene Leistung herunterspielte. Dabei wusste ich, was sie eigentlich ausdrücken wollte. Dass es nur eine Ausstellung unbekannter Künstler war und kein Spiel der ersten Liga, das im Fernsehen übertragen werden würde. Dass es im Gegensatz zu dem, was Robin gerade tat, anstatt hier zu sein, nicht sonderlich bedeutend erschien.

Aber dabei bedeutete es so viel für Sophie. Weil das ihre Bilder waren, die hier hingen. Ihre Arbeit, die sie Tränen und Schweiß gekostet hatte, und die nun von Fremden bewundert wurde. Für Sophie war das hier der erste Schritt in Richtung ihres Traums.

"Aber mit Abstand die besten", erwiderte Marie, die Augenbrauen zusammengezogen. Ihr schien Sophies Kommentar wohl ebenfalls nicht gefallen zu haben. "Noah und ich bieten gerade auf eins der abstrakten Gemälde für unser Wohnzimmer in München. Wenn wir es nicht ersteigern, haben wir ein ernstes Wörtchen zu reden."

Sophie lächelte dankbar und ich war mir ziemlich sicher, dass Marie die Leinwand noch heute Abend mit nach Hause nehmen würde. Nicht nur, weil die Koopmanns in Geld schwammen, sondern auch weil Noah Altenfeld, der einen Arm um ihre Taille geschlungen hatte, vermutlich jeden Geldbetrag gezahlt hätte, um sie glücklich zu machen.

Mein Blick glitt wie so oft an diesem Abend durch den Raum, um nach Levi zu suchen. Vor einigen Stunden hatte ich ihn mit seinem Freund an der Bar gesehen, danach zwischen einer Gruppe Kunststudenten und jetzt schien er wie vom Erdboden verschwunden.

Ein mulmiges Gefühl machte sich in meiner Magengegend breit. Die Befürchtung, dass er gegangen war – und noch schlimmer, mit Begleitung – ließ meinen Magen rebellieren.

"Er ist gerade durch die Tür", kommentierte Sophie leise, als sie neben mich trat, beinahe, als könnte sie meine Gedanken lesen. "Alleine."

Ich warf ihr einen überraschten Blick zu, denn seit unserem Gespräch auf ihrem Balkon vor einigen Wochen hatte ich mich davor gehütet, noch weiter über Levi und mich zu reden. Vermutlich war ich wirklich schlecht darin, mir nicht anmerken zu lassen, welches Chaos der Gefühle er in mir auslöste.

phantomschmerz | ✓Where stories live. Discover now