0 7 | u n v e r g e s s l i c h

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DANAS STILLE MACHTE mich nervös.

Normalerweise störte mich ihr Schweigen nicht. Ihre ruhige Art war eine angenehme Abwechslung zum Rest der Welt, die an einigen Tagen ohrenbetäubend laut erschien.

Doch heute wirkte sie nicht nur still. Sie wirkte erschöpft. Noch abgekapselter als sie es sowieso schon war.

Dabei hatte ich Freitagabend für einen Moment lang gedacht, ich hätte endlich einen kleinen Teil ihrer harten Schale durchbrochen. Als sie mich angelächelt hatte, nachdem mein Blick für eine Sekunde auf ihre Lippen gewandert war, wäre mein Herz beinahe explodiert. Ganz zu schweigen von meiner Hose.

Selbst die Frau, die mich angesprochen hatte, als ich mir einen neuen Drink an der Bar bestellt hatte, hatte mit ihren aufreizenden Blicken und ihrem tiefen Ausschnitt, den sie mir ganz eindeutig hatte präsentieren wollen, nicht so viel in meinen südlichen Regionen ausgelöst wie Dana es mit diesem einen Lächeln geschafft hatte.

Und dann, als ich nach einer gefühlten Ewigkeit mit meinem Gin zurückgekommen war, nur um zu entdecken, dass Danas Platz leer war, hatte es sich angefühlt, als wäre ich von meiner Wolke sieben mit voller Wucht heruntergefallen. Ohne jeglichen Stoßdämpfer.

Ich hatte ihr schreiben wollen, um zu fragen, ob sie denn wenigstens gut Zuhause angekommen war, nur um festzustellen, dass ich nicht einmal ihre Nummer hatte. Ich hatte mich wie ein Vollidiot gefühlt.

Die Dana, die nun neben mir saß, war anders als die Dana, die ich kannte. Normalerweise hätte sie sich alle paar Sekunden ein Lächeln abgerungen, vermutlich um alle um sich herum davon zu überzeugen, dass es ihr gut ging. Erst jetzt, wo sie es nicht mehr tat, bekam ich das Gefühl, dass es normalerweise nur zum Schutz diente. Um möglichst unsichtbar zu bleiben.

Dabei war ich mir sicher, dass Dana niemals wirklich unsichtbar sein konnte. Nicht, wenn sich jeder in ihrer Gegenwart nach ihr umdrehte, weil sie einfach so wunderschön war. Nicht, wenn alles, was sie tat, eine Eleganz und Schönheit besaß, vor der man die Augen gar nicht verschließen konnte.

Selbst jetzt, stillschweigend und verschlossen saß sie mit durchgedrückten Schultern neben mir, so gerade, dass mein Vater sie wahrscheinlich gelobt hätte. Ich wusste nicht, wie viele Predigten ich in meiner Kindheit erhalten hatte, dass ich während dem Essen den Rücken nicht so durchhängen lassen sollte.

Spätestens, als wir die Autobahn nach einer knappen halben Stunde jedoch verließen, warf Dana mir einen fragenden Blick zu. Ich erwiderte ihn mit einem spitzbübischen Grinsen, während ich in den Ort fuhr, in dem wir als letztes mit meiner Mutter gewohnt hatten. Das Viertel mit den Herrenhäusern war eindrucksvoll, doch Dana gab keinen Kommentar ab. Ich hatte das Gefühl, dass sie ihre Gedanken meistens für sich behielt.

Als wir dann jedoch die Häuser passierten, ohne anzuhalten, spürte ich ihre Neugier förmlich. Ich bog auf die ungeteerte Straße ab, die von Wald gesäumt wurde, fuhr so lange, bis wir an dem Metalltor anhielten, das den Rest der Öffentlichkeit auf dieser Seite des Zauns behielt. Ich lehnte mich über das herunter gekurbelte Fenster hinweg in Richtung des Touchpads, gab den sechsstelligen Code ein, der das Tor zum Brummen und schließlich zum Öffnen brachte. Sobald es offen genug war, um hindurch zu fahren, legte ich den ersten Gang wieder ein und passierte die Absperrung.

Dana schwieg noch immer, schien sich nicht zu trauen, nachzufragen, wo zur Hölle wir waren. Kaum hielten wir jedoch an der Lichtung, die einen Blick auf das Wasser gewährte, setzte Dana sich sichtlich auf.

Ich ließ den Schlüssel in der Zündung stecken, als ich den Motor ausschaltete. Während ich bereits aus dem Wagen stieg, schien Dana noch zu Zögern.

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