1 6 | p a n t o f f e l h e l d

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l e v i

MINDESTENS ZEHN AUGENPAARE richteten sich auf uns, als ich die Glastür der Galerie aufdrückte, in der Sophies Bilder an den Wänden hingen. Und mindestens acht davon waren weiblich.

"Hättest du mir gesagt, wie hübsch die Frauen hier sind, wäre ich schon viel früher gekommen", kommentierte Max neben mir und fuhr sich durch sein dunkelblondes Haar, das ihm durch den leichten Nieselregen, der draußen herrschte feucht in die Stirn fiel. Ich war mir sicher, dass es nur ein weiterer Pluspunkt in den Augen der Damen war, die sich bereits nach ihm umdrehten. "Ernsthaft, wolltest du die weibliche Population dieser Stadt für dich behalten, oder warum hast du dich erst jetzt gemeldet?"

Maximilian Graf war nicht nur bekannter Softwareingenieur und das Genie, das hinter der meisten Software steckte, die die Koopmann-Gruppe verwendete, sondern schien allen Stereotypen, die es im IT-Bereich gab, unbewusst den Kampf anzusagen. Mit einer Vorliebe, seine endlosen Stunden, die er mit dem Programmieren verbrachte, im Fitnessstudio auszugleichen und seine Abende in diversen Bars in Berlin ausklingen zu lassen, war er alles andere als ein Stubenhocker. Die Frauen fuhren auf den makellosen Look ab, doch sobald sie erfuhren, dass er auch noch wirklich intelligent und erfolgreich war, sprangen sie ohne zu Zögern in seine offenen Arme.

"Ich hatte viel um die Ohren", erwiderte ich und hielt Ausschau nach einer ganz bestimmten Blondine. Eine, die nicht Max hieß.

Mein Blick glitt über die Masse an Menschen, die sich im offenen Erdgeschoss verteilt hatten. An Backsteinwänden waren die Leinwände platziert, die Sophie an die Galeristin weitergereicht hatte. Es war eine Gemeinschaftsausstellung, mit mehreren Künstlern, die ihren Durchbruch noch vor sich hatten, doch ich erkannte Sophies Werke ohne lange überlegen zu müssen. Sie hatte ihre ganz eigene Handschrift, eine die dich dazu brachte, vor ihren Gemälden zu verharren und länger hinzuschauen.

"Du meinst zu viele Oberschenkel?", erwiderte Max mit einem dreckigen Grinsen. "Denn das ist die einzige Entschuldigung, die ich annehme."

Ein Lachen entschlüpfte mir, doch es hinterließ ein hohles Gefühl in meiner Brust. Denn die einzigen Beine, die ich um mein Gesicht geschlungen haben wollte, waren die des Mädchens, das davon überzeugt war, dass ich keine Beziehung führen konnte. Und verdammt, vermutlich hatte sie Recht davon auszugehen, nachdem ich in Berlin nicht gerade im Zölibat gelebt hatte. Aber in Berlin hatte ich Dana nicht gekannt. Jetzt schon.

Ein haselnussbrauner Haarschopf drückte sich durch die Massen in unsere Richtung und sobald ein älterer Mann mit weißem Schnauzer einen Schritt beiseite machte, erkannte ich meine Schwester, die sich ihren Weg zu uns bahnte. Mein Blick glitt für einen kurzen Moment über ihre Schulter, doch von Dana war noch immer keine Spur.

"Hey", begrüßte ich sie mit einem breiten Lächeln, sobald sie in Hörweite war. "Bist du in München gewachsen?"

Marie verdrehte die Augen, als sie ihre Arme um mich schlang und mich in eine feste Umarmung zog. Ich erwiderte sie, nur um festzustellen, dass sie keinen Zentimeter größer war als noch vor ein paar Wochen.

"Schön wär's", gab sie zurück, löste sich von mir und begrüßte Max, den sie ebenfalls in eine kurze Umarmung zog. Marie hatte ihn kennengelernt, als sie mich in ihren Semesterferien für ein Wochenende in Berlin besucht hatte. Für eine Weile hatten Max und ich eine Zwecks-WG eröffnet, die sich jedoch aufgelöst hatte, als ich von meinem Vater versetzt worden war.

Ein weiteres Mal glitt mein Blick durch die Menge. "Wo ist der Star des Abends?"

Es war nicht die Frage, die ich stellen wollte. Ich wollte nach Dana fragen, denn ich war mir sicher, dass sie ebenfalls hier war. Doch das war genau das, was Dana nicht wollte. Also hielt ich mich zurück und fragte lieber nach Sophie, die ebenfalls wie vom Erdboden verschluckt schien.

phantomschmerz | ✓Where stories live. Discover now