0 9 | m i t l e i d s b l u m e n

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d a n a

ICH SCHAFFTE ES erst in meiner Mittagspause, einen Abstecher in Levis Büro zu machen. Ein frischer Strauß Wildblumen stand auf seinem Schreibtisch und er selbst hatte das Festnetz-Telefon am Ohr, sein Handy in der anderen Hand. Obwohl er trotz des Anlasses verhältnismäßig leger in T-Shirt und Jeans gekleidet war, sah er aus wie ein wahrer Geschäftsmann.

Gerade wollte ich wieder umdrehen, weil er sichtlich keine Zeit für einen Besuch meinerseits zu haben schien, da trafen seine Augen durch die Glasscheibe, die sein Büro vom Flur abtrennte, auf mich.

Mein Herz machte einen nervösen Sprung, als sein Blick auf mir lag. Einer seiner Mundwinkel zuckte in die Höhe, entblößte das Grübchen auf der Seite seiner Wange und ließ alles in mir fröhlich summen. Er hob eine Hand, um mich herein zu winken, bevor ich zurück in die Redaktionshalle flüchten konnte, und ich gehorchte stumm.

Während ich vorsichtig die Glastür hinter mir schloss, lag Levis Blick noch immer auf mir. Ich ließ mich auf dem Sessel seinem Schreibtisch gegenüber nieder und musterte den Strauß aus römischer Kamille, Butterblumen und einigen Arten, deren Namen mir nicht einfielen.

Levi beendete das Telefonat, seine Augen auf mir, als er den Hörer zurück in die Halterung legte. "Wie kann ich dir helfen?"

Sein amüsierter Unterton deutete an, dass er vermutete, dass ich nicht gekommen war, um seine fachliche Meinung einzuholen. Dabei traf er so ziemlich ins Schwarze.

Ich überschlug die Beine und sah ihn gespannt an. "Ich dachte, ich gratuliere dem zukünftigen Preisträger."

Levi hob die Schultern an, beinahe, als würde er mein Lob abschütteln wollen. "Es ist nur eine Nominierung."

Einen kurzen Moment lang fragte ich mich, ob seine Bescheidenheit bewundernswert oder frustrierend war. Weil Levi trotz seines Vermögens auf dem Boden geblieben war, aber hunderte andere Journalisten, die das Schreiben zu ihrem Hauptberuf gemacht hatten, sich für eine solche Nominierung ein Bein ausreißen würden.

"Es ist ein renommierter Preis", entgegnete ich, unsicher, ob die Auszeichnung ihm so viel wert war, wie alle angenommen hatten. "Du kannst stolz auf dich sein."

Levi nickte, doch er blieb stumm. Keine Lobeshymnen auf seinen eigenen Namen, keine Ausrufe des Triumphes. Er ließ mich ratlos zurück.

Ich hatte verstanden, dass dieses Thema damit für ihn abgehakt zu sein schien. Mein Blick glitt zurück zu den Blumen, und gab mir etwas, mit dem ich die plötzlich angespannte Stille überbrücken konnte.

"Sind die von deinem Vater?", fragte ich, hauptsächlich, weil ich mir vorstellen konnte, dass Professor Koopmann mehr als nur stolz auf seinen Sohn war, nachdem er eine ganze Mediengruppe aus dem Nichts erschaffen hatte und Levi seinen Fußspuren zu folgen schien. Ich wusste genau, wie es sich anfühlte, wenn man das Aushängeschild der Familie war.

Doch Levi schüttelte nur den Kopf. "Nein, die sind von Marie und Noah. Willst du die Karte sehen?"

Etwas verwirrt nahm ich das Kärtchen entgegen, das Levi aus dem Strauß nahm und mir hinhielt. Ich erkannte sofort Maries schwungvolle Handschrift und brauchte nicht lange, um die Worte zu entziffern.

Levi,

herzlichen Glückwunsch, dass du endlich den Mut aufgebracht hast, bei Dana den ersten Schritt zu machen. Oh, und für die Nominierung des Theodor-Wolff-Preises natürlich auch.

Herzallerliebst,

Marie & Noah.

Ich war mir sicher, dass mir das Unbehagen anzusehen war. Ich reichte ihm die Karte zurück und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht, um von meinen warmen Wangen abzulenken.

phantomschmerz | ✓Where stories live. Discover now