2 5 | v e r l i e r e n

6.4K 455 28
                                    

d a n a

"ICH HABE KEINE Ahnung von Fußball", sagte ich, als Marie sich neben mir auf die Couch fallen ließ, eine Schüssel Popcorn in der Hand. Es war das dritte Wochenende innerhalb eines Monats, dass sie das Wochenende hier verbrachte und nicht in München blieb und ich hatte eine starke Vermutung, dass es etwas mit Sophie zu tun hatte, die so viel Zeit wie noch nie in den Ateliers der Universität verbrachte. Ich hätte es auf ihre Abgabefristen geschoben, wäre da nicht der Fakt gewesen, dass Robin und sie sich getrennt hatten. "Nur falls das von Bedeutung wäre."

Levi, der auf meiner anderen Seite saß, stieß ein belustigtes Schnauben aus. Ich warf ihm einen schnellen, finsteren Blick zu, der wohl nicht ganz so böse ausfiel, wie ich es beabsichtigt hatte, denn seine Mundwinkel hoben sich zu einem amüsierten Lächeln an.

"Musst du auch nicht", erwiderte Marie mit einem Schulterzucken, ihr Blick auf den Fernseher konzentriert, auf dem gerade die Spieler einliefen. Ich konnte mich nicht daran erinnern, dass ich sie jemals dabei gesehen hatte, wie sie sich Samstagabends auf die Couch setzte, um Fußball zu schauen. Wenn, dann war das eher Sophies Expertise gewesen, vermutlich aber nur, um wenigstens einen Blick auf ihren nun Exfreund zu erhaschen, wenn sie ihn schon nicht persönlich zu Gesicht bekam. "Konzentrier dich einfach auf die Nummer zehn."

Mein Blick glitt in Richtung des Flachbildschirms, auf dem die Spieler beider Mannschaften gerade den Rasen betraten. Ich fixierte die Nummer zehn, ein dunkler Haarschopf und ein weiß-rotes Trikot, kein Gesicht, das ich auf der Straße erkannt hätte. "Okay", meinte ich etwas verunsichert und warf Marie einen schnellen Blick zu, deren Augenbrauen sich gefährlich eng zusammenzogen. "Wer ist das? Heck?"

Der Name, der über seiner Rückennummer stand, hinterließ nur Leere in meinem Kopf. Wer war Heck und warum wollte Marie ein Fußballspiel für ihn schauen?

"Nicht die Nummer zehn", meinte Marie mit einer wegwerfenden Handbewegung. "Die zehn in dunkelblau."

Sobald die Kameras das nächste Mal auf ihn zoomten, wusste ich, warum wir zu dritt auf den Fernseher starrten. Jung, stand über der zehn, ein blonder Haarschopf, den ich schon am frühen Morgen in der Küche der Wg sitzen sehen hatte, die nur zwei Zimmer entfernt war. "Marie–"

"Wir stalken nicht", argumentierte sie mit einem schnellen Kopfschütteln in meine Richtung. "Wir sehen uns nur das Spiel an. Zufälligerweise spielt Robin. Ups."

Nun war Levi an der Reihe, den Kopf zu schütteln. Er fuhr sich mit einer Handfläche über das Gesicht und schielte in die RIchtung seiner Schwester. "Ich wusste, dein plötzliches Interesse an Fußball war zu schön um wahr zu sein. Bin ich der einzige, der das Spiel schauen will, und nicht hier ist, um Sophies Exfreund nachzuforschen?"

Ich lachte leise, schwieg aber. Marie ignorierte ihn dagegen vollkommen.

"Findet ihr, er sieht müde aus? Ich weiß nicht, ob das das Flutlicht ist oder ob er wirklich etwas blass aussieht."

Auf ihren Kommentar hin sahen Levi und ich etwas genauer hin, doch wenn ich ehrlich war, hätte ich es Robin nicht verübeln können, nicht topfit zu sein, nachdem Sophie sich wie eine lebendige Leiche jeden Morgen in die Uni schleppte und erst spät am Abend nach Hause kam, die Finger voller Ölfarbe und die roten Haare in einen unordentlichen Dutt geklemmt. Beinahe vier Jahre Beziehung ließen sich nicht einfach vergessen, nicht einmal, wenn sie während der letzten zwei Jahre öfter räumlich getrennt gewesen waren als in einem Raum.

Der Anpfiff fand statt und ich versuchte mich auf die Farben der Trikots zu konzentrieren, während der Ball über den Platz gejagt wurde. Ich hatte keine Ahnung, was die erste Halbzeit über passierte, doch die Tatsache, dass Levi die Ellbogen auf seine Oberschenkel gestützt hatte und das Spiel konzentriert beobachtete, gemischt mit dem 0-0, das noch immer in der oberen linken Ecke stand, vermutete ich, dass es ein Kopf-an-Kopf-Rennen war. Kurz vor dem Abpfiff zur Halbzeit ertönte besonders oft der Name Jung, nur um auf Robin zu fokussieren, der dem gegnerischen Tor gefährlich nahe kam. Ich dachte bereits, der Ball wäre so gut wie drin, als in der letzten Sekunde von links ein Spieler in rot-weiß kam, der ihm den Ball abnahm. Der Pfiff ertönte und Robin sah aus, als würde er den Rasenplatz verfluchen.

phantomschmerz | ✓Where stories live. Discover now