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d a n a

EINEN TELLER KUCHEN in der einen und ein Glas Sekt in der Hand stand ich das vorerst letzte Mal in der Mitarbeiterküche der Druckfabrik.

Sogar David hatte sich zum Anlass meiner Abschiedsfeier von seinem Schreibtisch losgerissen, obwohl ich das Gefühl hatte, dass es mehr damit zu tun hatte, dass er ab nächster Woche meinen ehemaligen Platz beziehen würde und nicht damit, dass er mich vermissen würde.

Stella neben mir quatschte mir beinahe das Ohr ab, doch meine Aufmerksamkeit lag ganz woanders. Nämlich auf Levi Koopmann, der am anderen Ende des Raums stand und meinen Blicken auswich.

Alles in mir zog sich bei seinem Anblick zusammen. Weil Levi in seiner schwarzen Jeans und dem schlichten weißen Shirt so unglaublich gut aussah, dass es beinahe schmerzte, ihn aus dieser Entfernung anzusehen. Seine Haare fielen ihm wie immer zerzaust in die Stirn, brachten meine Finger zum Jucken, sie ihm beiseite zu streichen, wie ich es schon unzählige Male gemacht hatte.

Doch ich erinnerte mich noch genau an unser letztes Gespräch. Als ich aus seinem Wagen gestiegen war, wie er mir hinterher gerufen hatte – es war eine Katastrophe.

Es fühlte sich schrecklich nach Hilflosigkeit, dass ich nichts daran ändern konnte, dass ich ihm nicht das geben konnte, was er sich vom Leben erhoffte. Mal ganz abgesehen von einer stabilen Beziehung mit einer nicht psychisch kranken Person, ging es hier um mehr als nur einen Teenagerschwarm. Denn wenn ich ehrlich war, dann liebte ich Levi Koopmann so sehr, dass ich wünschte, ich könnte selbstsüchtig sein.

Ich hatte mich mit meinem Schicksal bereits abgefunden. Jahrelang hatte ich Zeit gehabt, um damit klarzukommen. Und wenn ich ehrlich war, dachte ich die meiste Zeit über, dass es die Regeln der Biologie waren. Wenn ich nicht in der Lage war, gut zu meinem eigenen Körper zu sein, dann würde ich auch nicht die Chance bekommen, es bei meinem eigen Fleisch und Blut zu vermasseln. Neben der Enttäuschung war da auch ein Hauch von Erleichterung – denn es bedeutete, niemals ein Kind so zu enttäuschen wie meine Eltern mich enttäuscht hatten.

Aber das erste Mal, seitdem mein Arzt mit mir über die Folgen der Amenorrhoe gesprochen hatte, fühlte es sich an, als hätte ich mir mein eigenes Leben mit mehr als nur meinem Unfall verbaut.

Denn meine Zukunft war nicht nur meine eigene. Wenn Levi sich entschied, mit jemandem wie mir zusammen zu sein, würde er sich für eine hoffnungslose und problembehaftete Zukunft entscheiden. Eine, in der er zusehen musste, wie all seine Freunde Kinder bekamen und Familien gründeten – nur ich konnte ihm keine geben.

Ich wollte nicht die Frau sein, an die er sein Leben verschenkte, wenn das bedeutete, dass er früher oder später unglücklich werden würde. Denn egal, wie sehr Levi leugnen würde, dass es ihm nichts ausmachte, dass ich vermutlich keine Kinder bekommen konnte, wusste ich, wie groß diese Lüge sein würde.

"Was sind deine Pläne für den Sommer?"

Stellas Frage ließ mich meinen Blick von Levi losreißen. Ich starrte in ihr hübsches Gesicht, beneidete sie ein weiteres Mal für ihre mandelförmigen Augen und das dichte, dunkle Haar und fragte mich, wie die letzten sechs Monate so schnell hatten vorbeigehen können. Es kam mir vor wie letzte Woche, als sie mich in der Eingangshalle der Druckfabrik begrüßt hatte und ich so aufgeregt gewesen war, dass ich kaum ein Wort herausbekommen hatte.

Die Nervosität war seitdem verschwunden, aber was geblieben war, war meine ehrliche Bewunderung für sie.

"Das weiß ich ehrlich gesagt noch gar nicht", gab ich zurück und nahm einen Schluck vom Sekt. "Ich bin auf der Suche nach einer Wohnung. Das wird mich vermutlich ein wenig Zeit kosten, bevor das Semester wieder anfängt."

phantomschmerz | ✓Where stories live. Discover now