27 | River

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Nach der kurzen Besprechung im Wohnzimmer, ist jeder seiner Wege gegangen. Entweder auf Patrouille, ins Bett oder hat sonstige Hausarbeiten erledigt. Auch ich habe mich zurückgezogen, bin in den Hühnerstall, habe die über den Tag gelegten Eier eingesammelt und die Hühner für die Nacht in den Stall getrieben. Dabei haben sich meine Gedanken die ganze Zeit um Henry, unsere neue Hoffnung und die Möglichkeiten gedreht. Ians Vorschlag hat mir besonders gut gefallen. Ein Vertrag wäre eine friedliche Lösung und ich möchte nicht noch mehr Angriffe. Weder jetzt, noch in der Zukunft. Ich bin den Schmerz und die Angst leid.
Nikan ist zur Patrouille aufgebrochen. Ich habe gespürt, dass es ihn sehr beschäftigt. Er brauchte Abstand und vermutlich auch Ruhe, um sich seine eigenen Gedanken über die Situation zu machen. Wir haben nun zwei Vorteile. Atlas und Henrys Motive. So viel hatte das Rudel noch nie gegen Henry in der Hand. Nikan wird also Zeit brauchen, unsere nächsten Schritte zu planen.

Beim Abendessen waren nur Antonio, Len, Dean, Luke und ich anwesend. Wir haben die Rester von dem üppigen Mittagessen verspeist und versucht eine seichte Unterhaltung zu führung, weil wir beschlossen haben für einige Minuten nicht an Henry zu denken, doch irgendwie sind wir immer wieder bei dem Thema gelandet.
Anschließend bin ich schnell ins Bett gegangen. Es war ein langer Tag. Meine Erinnerungen an vergangene Zeiten, das Gespräch mit Len, Luke und Deans Ankunft, der Umzug in ein anderes Zimmer, das Gespräch mit Mato und die zugegeben äußerst feurigen Küsse mit Nikan. Die Knutschflecke sind zum Glück verschwunden. Dennoch habe ich den ein oder anderen wissenden Blick der anderen bemerkt.
Es war ein auf und ab der Gefühle und hat mich ermüdet.

Nun liege ich in Nikans Bett. Unser Bett. Keine Ahnung, was es ist. Und obwohl ich so unendlich müde bin, kann ich nicht einschlafen, weil Nikan noch nicht hier ist. Sein Duft umgibt mich. Seine Laken umhüllen mich und der betörende Geruch nach Regen, Wald und Frühling besänftigt mich soweit, dass die Lasten des vergangenen Tages nicht mehr ganz so schwer auf meinen Schultern liegen.
Ab und zu höre ich Stimmen unten aus dem Wohnzimmer, doch sonst ist es still. Das Fenster habe ich offen stehen, doch außer dem Rascheln des Laubes, kann ich nichts hören.
Es bleibt eine Weile so, bis die Haustür geöffnet wird und Schritte im Flur verhallen. Ich weiß, dass Nikan derjenige ist, der das Haus betreten hat, weil sich die Härchen auf meinen Armen aufstellen und sich alles sofort nach seinen Berührungen verzehrt. Aber ich bleibe still liegen und lausche.
Nikan ist am Wohnzimmer stehen geblieben. Ich kann unterschiedliche Stimmen ausmachen, doch was gesagt wird bleibt mir verborgen. Nach ungefähr fünf Minuten ertönen schwere Schritte auf der knarzenden Treppe, die anschließend den oberen Flur ausfüllen, bevor sie im Badezimmer verschwinden und nur noch das rauschende Wasser der Dusche zu hören ist.
Nikan beeilt sich und ich kann es kaum abwarten, ihn neben mir liegen zu haben, in die Arme zu nehmen und mich für die Knutschflecke zu revanchieren.

Leise wird die Tür geöffnet und wenig später ebenso leise geschlossen. Vermutlich denkt er, dass ich schlafe, doch als ich mich aufrichte, hält er in seinen Bewegungen inne und ich muss hart schlucken.
Der Raum wird zwar nur durch das schwache Mondlicht ausgeleuchtet, doch dank der guten Sehkraft unserer Spezies, kann ich ihn genau erkennen. Ein dunkles Handtuch sitzt tief auf seinen Hüften. Wasser tropft aus den Spitzen seiner Haare und rollt seine braune Brust hinab.
“Du schläfst nicht“, bemerkt er mit rauer Stimme, sich unserer Situation offensichtlich bewusst.
“Ich habe auf dich gewartet“, erkläre ich und werfe die Decke zurück, um aufzustehen und entblöße meine nackten Beine. Im Vergleich zu meinen sonstigen Schlafsachen, einer Leggings und einem weiten T-Shirt, ist dies hier schon ziemlich freizügig. Ich habe mich für die kurze Hose und ein Top entschieden, weil so mehr Hautkontakt mit Nikan möglich ist. Etwas wonach ich mich seit kurzem innigst sehne.
“Das hättest du nicht machen müssen.“ Er schaut auf mich herab, als ich kurz vor ihm stehen bleibe. Sein Blick ist düster, begierig, lüstern.
“Ich weiß, aber ich wollte es“, erkläre ich und streiche über seine glatte Wangen. “Du hast dich rasiert.“
Nikan kichert rau und antwortet: “Ich dachte es wäre besser, dass ich dir nicht deine schöne Haut verletze, wenn wir uns küssen.“ Seine Hand wandert unter mein Kinn und mit dem Daumen streift er über meine Unterlippe, was mich zum schmunzeln bringt. Dass er an so etwas denkt. Mir wäre es egal gewesen. Seine rauen Wangen waren ganz angenehm, aber er hat schon recht, dass meine Haut nach unseren Küssen ein wenig gerötet war und das lag nicht nur an meinem erregten Zustand.

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