6 | Nikan

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Dass ich hartnäckig sein kann, ist kein Geheimnis und wenn ich sage, dass ich River nicht von der Seite weichen werde, dann meine ich das auch so. Ich habe sie überall hin begleitet. Wie sie an der Dekoration für die Zeremonie gearbeitet hat. Auch als sie für eine Stunde auf Silvers Entkeltochter aufgepasst hat. Ja, mit Kindern kann sie gut umgehen. Sie wird eine gute Mutter für unsere Welpen sein. Natürlich konnte ich ihr dieses Kompliment nicht sagen, weil sie es sonst falsch verstanden hätte und nur einen Grund mehr gehabt hätte, mich mit dieser ausdruckslosen Mine zu strafen. Ihr Blick verrät mir, dass sie mich am liebsten in den Wind schießen möchte. Doch das ist bestimmt nicht das, was sie tief in ihrem Innersten möchte. Oder vielleicht doch? Ist es möglich sich von der Seelenverbindung zu trennen und seinen Gefährten nicht anzuerkennen? Würde es River soweit kommen lassen?

Nein.
Das kann sie nicht tun.
Das darf sie nicht tun. Sofern es überhaupt möglich wäre.
Wir kennen uns erst ein paar Stunden, vielleicht sollte ich mir darüber keiner Gedanken machen.

Als ich sie durch den Wald nach Hause begleitet habe, hat sie sogar ein paar Worte mit mir gewechselt. Was durchaus ein positives Zeichen ist. Ich war erst überrascht, ihre Stimme zu hören. Mit mir hat sie seit dem See kein Wort gewechselt. Aber es muss das Band sein. Ihr Wolf ist neugierig darauf zu erfahren, wer ihr Gefährte ist. Wie sie selbst gesagt hat, sie wird es nicht aufhalten können mir zu verfallen.
Während wir durch die Bäume umher gewandert sind, hat sie mich gefragt, warum ich so aufgebracht das Haupthaus verlassen habe. Ich habe ihr dann von Silvers Zurückweisung berichtet, aber eigentlich habe ich sie die ganze Zeit nur gemustert. Den ganzen Tag habe ich nichts anderes getan, doch in diesem Moment waren wir alleine. Sie war nur mit mir und im Gegensatz dazu, wenn sie mit anderen zusammen ist, hat sie nicht gelächelt, war nicht zuvorkommend und auch nicht so losgelöst. Bei mir war sie neutral, hat ihren Blick stets auf den mossbedeckten Boden gerichtet und sich ab und zu eine Strähne hinter die Ohren geschoben. Manchmal lag ihre Stirn in Falten. Ich konnte dann den inneren Kampf in ihr erkennen, habe ihn sogar gespürt. Es hat sich wie das Zerschellen von Wellen an einer Felswand angefühlt. Als würde der Wolf in meinem Inneren mit seiner Pfote über meinen Brustkorb kratzen und sich einen Weg in die Außenwelt bahnen.
River hat mir erzählt, warum sie es sich so schwer macht, diese Verbindung zwischen uns zu akzeptieren, aber da muss noch mehr dahinter stecken. Sie ist erst seit zwei Jahren bei Silver, also muss es einen Grund geben, warum sie ihr altes Rudel verlassen hat. Diese Entscheidung fällt man nicht leichtfertig. Wir sind kein wanderndes Volk. Im Rudel werden wir geboren und im Rudel sterben wir. Der Wechsel zu einem anderen Rudel kommt nur selten vor. Allerdings haben wir dies gemeinsam. Ich weiß nicht warum und unter welchen Umständen dieser Rudelwechsel stattgefunden hat, doch ich musste meine Familie auch verlassen.
Oh man und ich Idiot werde sie dazu bringen erneut ihr Rudel zu verlassen!
Kann ich ihr das überhaupt antun?
Kann ich es meinem Rudel, unserem Rudel, antun, nicht darauf zu bestehen, dass sie mich begleitet?

Im Haus habe ich sie ein bisschen ziehen lassen. Ich habe gemerkt, dass sie etwas Zeit für sich braucht und ich wollte ihre Nerven nicht überstrapazieren. Nun ja, nicht mehr als ich es bisher getan habe.
Dafür habe ich ihre Schwester Mara und dessen Gefährten Sitka kennengelernt. Ihrer Schwester war sofort klar, dass etwas anders ist, also habe ich sie aufgeklärt. Ich wüsste nicht, warum ich mit dieser tollen Neuigkeit hinter dem Berg halten sollte. So lange habe ich darauf gewartet sie zu finden, dass ich kaum noch Hoffnung hatte und jetzt ist sie da. Ich könnte mein Glück mit der ganzen Welt teilen, aber ihre Familie reicht vorerst auch. Es ist nun auch meine Familie. Alle die zu River gehören, gehören auch zu mir und dem Greyblood Rudel. Ich weiß, dass ich mich nicht zu früh freuen darf, aber es fällt mir schwer, nicht vor lauter Glück in die Luft zu springen. Noch weiß Henry nicht, dass unser Rudel bessere Chancen auf die Zukunft hat und ich bezweifle, dass es ihn davon abhalten wird, nur weil ich meine Gefährtin gefunden habe, mein Revier für sich zu beanspruchen. Wie ich vermute, wird er in meiner Abwesenheit versuchen das Rudel anzugreifen. Noch hat er es nicht getan, aber Clayton hat mich vorhin angerufenen und mir mitgeteilt, dass fremde Wölfe gefährlich nah an unseren Grenzen gesichtet wurden. Die verstärkten Patrouillien müssen sie abgeschreckt haben, doch das wird Henry auch nicht für ewig aufhalten. Er wird wissen, dass im Redbone Rudel eine Gefährtenzeremonie stattfindet und ich als Mitglied von Silvers Allianz anwesend sein werde.

MoonshadowWhere stories live. Discover now