Kapitel 48

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Die dunklen Lande

Alaster war müde und es war nahezu unerträglich stickig.

Er mühte sich bereits seit einigen Tagen durch die trostlose Landschaft des Landes, hinter dem Gebirgspass im Osten. Hier und da sprossen einige Büschel Gras aus dem trockenen Boden und einige wenige Bäume hatten seinen Weg gekreuzt.

Wäre er sich nicht sicher gewesen, auf dem richtigen Weg zu sein, wäre er längst umgekehrt und hätte sich zurück in die Hauptstadt begeben.

Er setzte weiter einen Fuß vor den anderen. Seinen Mantel hatte er zurückgelassen, er war nur zusätzliches Gewicht und das konnte er nicht gebrauchen. Zumal es in den dunklen Landen schon lange keinen Schnee mehr gab.

Es war das genaue Gegenteil zu Anchor, in dem es fast immer kalt war und Eis und Schnee an der Tagesordnung.

In den dunklen Landen war es heiß und die Luft träge und Alaster fiel das Atmen zunehmend schwer.

Es hatte einmal eine Zeit gegeben, da waren die dunklen Lande nicht trostlos und karg gewesen, sondern von dichten Wäldern, Seen und bunten Blumen bedeckt gewesen.

Es hatte kühle Winter gegeben und warme Sommer. Es hatte eine Zeit gegeben, da hatten die dunklen Lande einen anderen Namen getragen und waren ein richtiges Land gewesen, gleichgestellt mit Anchor. Aber das war lange her.

Noch länger als die Vereinigung Anchors unter König Aelros, Locans Vater. Als Aelros den dunklen Herrscher dieses Landes in die Knie zwang, war von der einstigen Schönheit bereits nichts mehr übrig gewesen.

Alaster erinnerte sich noch gut an jene Tage des Krieges. Er war damals frische 24 Jahre gewesen und neu als Berater des Königs einberufen worden.

Aber wenn seine Vermutungen stimmten, dann war es vielleicht anders, als er bis jetzt angenommen hatte. Und deshalb musste er weiter.

Er spürte Schweiß seine Stirn und seinen Nacken hinabrinnen und fragte sich, ob das noch natürlich war oder ob jemand nachgeholfen hatte.

Er war einfach zu alt, für solche Aufgaben. Aber es gab niemanden sonst, der das erledigen konnte. Und wenigstens war Eliphas in Sicherheit.

Er war nun bestimmt schon in Alystowe angekommen und hatte sich hoffentlich zu seinem Vater begeben. Alaster wünschte es Locan von ganzem Herzen.

Es war schrecklich gewesen, was die beiden seit damals hatten durchmachen müssen. Und Alaster musste sich eingestehen, auch selbst einen Teil der Schuld zu tragen. Er hätte Eliphas niemals so unter Druck setzen dürfen. Sie hätten ihn alle nicht so sehr unter Druck setzen dürfen.

Aber er war nun einmal ein Prinz und dementsprechende Erwartungen hatten sie alle in ihn gesetzt. Und seine Magie war mächtig, das hatte Alaster vom Augenblick seiner Geburt gespürt. Und ebendiese Macht war es, die es so gefährlich machte. Sie besaß ebenso viel Potential wie Zerstörungskraft und Alaster hatte immer befürchtet, er würde nicht der Einzige sein, der das bemerkt hatte.

Er kniff die Augen gegen den aufkeimenden Wind zusammen, der ihm Staub ins Gesicht wirbelte. Und in diesem Moment erblickte er es.

Es war ein Palast, dunkel wie die Nacht, aus schwarzem Obsidian-Stein gehauen und von dicken Mauern umgeben. Die Türme glänzten im fahlen Licht der Sonne wie Pech.

Wie hatte er dieses riesige Gebilde so lange übersehen können?

Eigentlich gab es nur eine Erklärung dafür: jemand hatte Magie benutzt, um es zu verbergen. Das sollte ihn wohl nicht überraschen, aber ein ungutes Gefühl kroch in ihm hoch, als er daran dachte, welch riesige Mengen an magischer Kraft man dafür benötigte.

Snow Hunter - gefährliches ErbeWhere stories live. Discover now