Kapitel 20

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Die dunklen Lande

Um die verdorrte Landschaft, hinter dem östlichen Gebirgspass, rankten sich zahlreiche Mythen und Geschichten. Und doch konnte keine der lebenden Personen in Anchor von sich behaupten, diese bestätigen zu können. Denn wer die dunklen Lande betrat, kam nicht wieder.

Auch Nevan hatte sich sein Leben lang davor gehütet, weiter als nötig zu dem Gebirgspass vorzudringen. Und doch war er sich sicher, dass die beiden furchterregenden Gestalten nur einer dieser Schauergeschichten entsprungen sein konnten. Gewiss waren nur diese, von Bosheit erfüllten Lande imstande, solch verzerrte Wesen hervorzubringen.

Hätten sie ihn doch getötet, dann hätte er jetzt nicht dieses nagende Gefühl der Ungewissheit auszuhalten.

Dabei hatte er, als ihm schwarz vor Augen wurde, fest geglaubt, dass das bleiche Gesicht der Kreatur das letzte sein würde, das er in seinem Leben sehen würde.

Als er dann aber in diesem kalten und muffigen Loch wieder aufgewacht war, war ihm klar geworden, dass er sich wohl geirrt hatte.

Er konnte nicht sagen, wie lange er nun bereits, eng an die felsige Wand gekauert, in der Dunkelheit saß. Es konnten Tage oder Stunden gewesen sein.

Er traute sich auch nicht, aufzustehen und den Raum genauer zu untersuchen, denn kein einziger Lichtstrahl durchdrang die tiefe Finsternis um ihn herum. Nevan hatte sich zwar davor gehütet, es irgendjemanden zu erzählen, aber er hatte bereits seit seiner Kindheit eine unerklärliche Angst vor der Dunkelheit.

Als ein durchdringendes Quietschen ertönte, zuckte Nevan heftig zusammen und presste sich noch enger an die kalte Mauer hinter ihm.
Als der dunkle Raum nun von Licht geflutet wurde, musste er mehrere Male heftig blinzeln, ehe er seine Umgebung genauer erkennen konnte.

Der Raum, in dem er saß, war nicht sehr groß und besaß keine Fenster.
Links von ihm befand sich eine Türe, die eben geöffnet wurde und nun offenstand.

Nevan versuchte, seinen zitternden Atem zu beruhigen, als Schritte ertönten und kurz darauf jemand zu ihm trat.

Als er vorsichtig den Blick hob, um zu sehen, ob die bleichen Gestalten wiedergekehrt waren, blieb er an dem langen, schwarzen Umhang und den festen, ledernen Stiefeln hängen. Ein erleichtertes Seufzen verließ seinen Mund. Es waren also doch nicht die seltsamen Wesen.

Der junge Mann, der nun ihm gegenüber in die Knie ging und ihn anlächelte, konnte kaum älter sein, als er selbst.

Seine kupferroten Haare kräuselten sich wild um seinen Kopf herum und fielen ihm in die Stirn. Zweifelsfrei war er sehr hübsch, mit den ausgeprägten Wangenknochen, dem schmalen Gesicht und den dunklen, blauen Augen, in denen Nevan nichts Böses erkennen konnte.

Mit einem Mal fiel alle Anspannung von ihm ab und er musste sich bemühen, das hysterische Lachen zurückzuhalten, das aus ihm hervorzubrechen drohte.

»Keine Sorge«, sagte der Fremde mit ruhiger, melodischer Stimme. »Du hast hier nichts zu befürchten.«
Er erhob sich und streckte Nevan eine Hand entgegen. Dieser ergriff sie, ohne zu zögern. Sie fühlte sich weich an.

Nevan musterte noch einmal die dunklen, sauberen Kleider des Fremden. »Wer bist du?« Ohne sich dessen bewusst zu sein, sprach er ihn mit der vertrauten Anrede an.
Den jungen Mann schien das nicht zu stören. Noch immer schenkte er Nevan ein vertrauensvolles Lächeln.

»Ich werde all deine Fragen beantworten. Aber komm erstmal mit mir. Dieser Raum ist wohl kaum die passende Umgebung für unser Gespräch.« Er rümpfte die Nase als er die feuchten und schmutzigen Wände betrachtete.

Dann wandte er sich zur Tür und bedeutete Nevan ihm zu folgen. Er führte ihn einen Gang entlang, dessen Wände und Decken aus demselben Stein gemeißelt waren, wie der Raum, in dem Nevan erwacht war. Am Ende befand sich eine geschwungene Wendeltreppe, die in die Höhe führte und die die beiden nun hinaufstiegen.

Der Raum, in dem sie endete, war groß und hell. Obwohl Nevan nur ein einziges, langes Fenster sah, schien der Raum von Licht geflutet.

Der Boden war mit dickem, dunkelroten Teppich ausgelegt und an den Wänden hingen bunte Läufer. Als Nevan das Fenster näher in Augenschein nahm, bemerkte er, dass es eigentlich eine gläserne Tür war, die wohl auf einen Balkon hinausführte.

Von dem Wunsch getrieben, endlich etwas anderes um sich herum zu haben, als Wände und Decken, ging er darauf zu und drückte sie auf.

Dahinter befand sich tatsächlich ein breiter Balkon, von dem aus es einige Meter in die Tiefe ging. Aber das war es nicht, was Nevan den Atem stocken ließ. Vielmehr war er entsetzt von der weitläufigen Landschaft, die seine Augen erfassten.

Der Boden, der sich hier erstreckte, war grau und rissig. Die wenigen Pflanzen, die darauf hatten überleben können, waren blattlos und verdorrt.

Am Horizont konnte Nevan ein langes, schneebedecktes Gebirge erkennen und mit Schrecken erkannte er, dass dieses ihm nur allzu vertraut war. Er besah den Gebirgspass nach Anchor. Nur von der anderen Seite.

Die Ruhe, die ihn noch wenige Minuten zuvor fest im Griff gehabt hatte, war mit einem Schlag verschwunden.

Übelkeit packte ihn und er klammerte sich an der Balustrade fest, um nicht vornüberzukippen.
Erst, als er ein Seufzen vernahm, bemerkte er, dass der Fremde neben ihn getreten war. »Ich hatte gehofft, dir das schonender beibringen zu können.«

»Was ... was hat das zu bedeuten?«, würgte Nevan hervor.

In den zuvor noch so ruhigen, blauen Augen stand nun ein Ausdruck von Bedauern und etwas anderem, das Nevan nicht recht benennen konnte.

»Lass uns hineingehen«, sprach der junge Mann.

Nevan schüttelte den Kopf und ergriff das Geländer so fest, dass es beinahe schmerzte.

Der Fremde strich sich die kupfernen Haare aus den Augen und legte Nevan eine Hand auf die Schulter. Sofort entspannten sich seine verkrampften Finger, und in seinem Bauch, breitete sich eine wohlige Wärme aus.

Die blauen Augen hielten Nevan mit festem Griff gefangen. »Es ist wichtig, dass du ruhig bleibst, und nichts unüberlegtes tust.«

»Was denn, zum Beispiel?«

»Nun, der Letzte hat wohl gedacht, er würde einen Sprung vom Balkon überleben.«

Nevan riss entsetzt die Augen auf und schluckte. In seinem Hals hatte sich ein dicker Kloß gebildet.

Der Druck, der Hand auf seiner Schulter, verstärkte sich und der Fremde lächelte ihn kurz entschuldigend an. »Verzeih mir. Manchmal lasse ich mich zu solch unüberlegten Aussagen hinreißen.«

Nevan spürte, wie sich der Kloß löste und der Schrecken nachließ.
Sein Gegenüber nickte gewichtig.

»Eigentlich, Nevan, kannst du es dir sicher schon denken. Mein Name ist Kain, und ich bin der König der dunklen Lande.«

Erinnert ihr euch noch an Nevan? :DWas sagt ihr zu ihm und Kain? Gefällt euch das Kapitel oder habt ihr Verbesserungsvorschläge? Ich würde mich sehr über eure Kommentare oder auch ein Sternchen freuen :)

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Erinnert ihr euch noch an Nevan? :D
Was sagt ihr zu ihm und Kain?
Gefällt euch das Kapitel oder habt ihr Verbesserungsvorschläge?
Ich würde mich sehr über eure Kommentare oder auch ein Sternchen freuen :)

Snow Hunter - gefährliches ErbeWhere stories live. Discover now