Kapitel 25

28 7 2
                                    

Königreich Anchor, Phalanxes

»Was tun wir jetzt?«

Kieran erwiderte Cyras ratlosen Blick und atmete mehrere Male tief durch. »Wir...« Er raufte sich das dunkle Haar. »Ich kann Hunter nicht zurücklassen.«

Cyra nickte grimmig, sie hatte bereits geahnt, dass er das sagen würde. »Schön. Befreien wir ihn.«

»Das ist nicht so einfach. Die Gilde handelt im Namen des Königshauses. Wir können nicht einfach so hin spazieren und seine Freilassung fordern.«

»Wieso haben sie ihn überhaupt geschnappt?«

Kieran seufzte. »Ich weiß es nicht. Die Jäger werden nur in den seltensten Fällen verhaftet. Das liegt zumeist auch daran, dass man uns nichts nachweisen kann und der König oft genug froh darüber ist, wenn wir den einen oder anderen Verbrecher aus dem Weg räumen. Sie haben absolut keinen Grund, Hunter einfach so mitzunehmen. Es sei denn...«

Die Worte hingen einen Augenblick schwer zwischen ihnen in der Luft. Kierans nachdenklicher Blick schien in die Vergangenheit gerichtet.

»Es sei denn, was?«, fragte Cyra ungeduldig.

Kieran zögerte einen Moment. »Ich habe keine Ahnung, wer Hunter war, bevor er sich den Jägern des Eises angeschlossen hat. Es ist ein ungeschriebenes Gesetz, dass niemand, der den Jägern beitritt etwas aus seinem früheren Leben preisgeben muss. Es ist ein Neuanfang, eine Chance, Vergangenes hinter sich zu lassen, verstehst du? Möglicherweise hat es etwas mit seinem früheren Leben zu tun.«

»Aber das hilft uns auch nicht weiter, oder?«

»Nein.«

»Wie sollen wir ihm dann helfen?« Frustration machte sich in Cyra breit. Sie hatte wirklich nicht vorgehabt, aus Alystowe fortzugehen, nur um in das nächste Chaos zu stürzen. Und sie hätte auch nichts dagegen einzuwenden, Hunter einfach seinem Schicksal zu überlassen. Aber für Kieran kam das selbstverständlich nicht in Frage.

Und sie fühlte sich schlecht, weil sie ihn beinahe getötet hätte. Sie schuldete es ihm, ihm zu helfen.

»Er ist ein Mitglied der Jäger. Die können ihn nicht einfach so exekutieren. Ich vermute, dass sie ihn in die Hauptstadt bringen und dort dem König vorführen. Er wird dann sein Urteil über ihn fällen und gegebenenfalls in Alystowe hinrichten lassen.«

»Der König ist krank«, widersprach Cyra. »Er hat kaum genügend Kraft eine Sitzung mit den Lords abzuhalten. Denkst du wirklich, er wird sich auf seinen Thron setzen und ein Urteil fällen?«

Kierans Miene verfinsterte sich. »Dann wird es eben einer seiner Berater oder Stellvertreter tun. Was macht das für einen Unterschied? Solange wir nicht wissen, was ihm vorgeworfen wird, müssen wir davon ausgehen, dass sie ihn hinrichten werden.«

»Also schlägst du vor, einfach wieder zurück nach Alystowe zu reiten?« Cyra verschränkte die Arme. Sie war nicht den ganzen Weg gen Osten geritten, nur um jetzt unverrichteter Dinge wieder umzukehren. Sie zwang sich, ihre Stimme ruhig klingen zu lassen, als sie sagte: »Wir dürfen nicht vergessen, weshalb wir hergekommen sind.«

In Kierans Augen schien ein Feuer aufzuflammen. »Und weshalb sind wir hergekommen?«

»Um herauszufinden, was es mit dem Symbol auf sich hat. Um herauszufinden, wer euch umbringen wollte! Und um zu erforschen, ob wir wirklich dem Untergang geweiht sind.«

Kieran schüttelte heftig den Kopf. »Du bist hergekommen, um deinem langweiligen Leben zu entfliehen. Du hast dich uns angeschlossen, weil du die Gefahr gesucht hast und weil dich zu schmerzvolle Erinnerungen festgehalten haben. Du bist hier, weil du die Heldin spielen willst. Weil du alle vor einer Macht beschützen willst, die vielleicht gar nicht existiert. Und ganz nebenbei, wäre es natürlich super, wenn du dich beim König beliebt machen könntest, indem dir sein verlorener Sohn in die Arme läuft!«

Snow Hunter - gefährliches ErbeWhere stories live. Discover now