Kapitel 49

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Königreich Anchor, Hauptstadt Alystowe

Hunters Kurzschwerter tanzten durch die Luft und durchschnitten den kalten Wind. Seine Schulter wurde von einem starken Stechen durchzogen, als seine Klingen auf Eliphas' trafen.

Er spürte immer noch Nachwirkungen der Verletzungen, die Nevan geheilt hatte. Eliphas setzte mit unerwarteter Schnelligkeit nach und zwang
Hunter zu einem Ausfallschritt.

Das weiße Haar klebte ihm in der Stirn und Schweißt tropfte in seine Augen. Er blinzelte, während er keuchend einen neuen Schlag parierte.

Er hatte es kaum fassen können, als Eliphas ihm seine beiden Kurzschwerter mit dem gebogenen Griff entgegengestreckt hatte. Das vertraute Gefühl in seinen Händen zauberte ihm ein Grinsen ins Gesicht.

Eliphas schien das Training für seinen eigenen Wutabbau zu benutzen, denn seine Schläge kamen immer härter und schneller, während seine Miene sich immer weiter verfinsterte. Auch Hunter kam das Training gerade recht, er brauchte dringend ein Ventil, für all die Dinge, die er erfahren hatte. Für all den Schmerz, den er jetzt ständig mit sich herumtrug.

Hunter tauchte unter einem Hieb hinweg und blockte den nächsten ab, wobei das Ziehen in seiner Schulter beinahe unerträglich wurde. Er verzog das Gesicht. Er hätte nicht gedacht, dass es noch so sehr schmerzen würde.

»Ich glaube ... das reicht«, presste er zwischen zwei Atemzügen hervor.

Eliphas senkte sein Schwert und sah mit gerunzelter Stirn auf Hunter herab, der sich vornübergebeugt hatte und versuchte, wieder zu Atem zu kommen.

»Ist alles in Ordnung?«

Hunter ließ seine Schwerter in die Halterung auf seinem Rücken gleiten. Die Bewegung war vertraut und das fühlte sich gut an. »Die Schulter ... tut noch etwas weh.«

»Vielleicht könnte Nevan...«

Hunter winkte ab. »Es geht schon.«
Eliphas hob eine Augenbraue, woraufhin Hunter sich zu einem Grinsen zwang. »Wirklich.«

Er lehnte sich gegen den hüfthohen Zaun, der das Trainingsgelände begrenzte. »Du hättest Cyras Ansprache heute Morgen hören sollen. Die perplexen Gesichter der hohen Herrschaften waren perfekt.«
Eliphas sah ihn nicht an. »Ich habe davon gehört.«

Hunter seufzte. Eliphas schien mit jedem Tag noch verschlossener und undurchsichtiger zu werden. Er wusste nicht, wie er seinem Freund helfen sollte.

Eigentlich wusste er nicht einmal, was er überhaupt noch in Alystowe tat. Er gehörte nicht in diese Welt. Jedes Mal, wenn einer dieser adeligen Leute ihn ansah, wurde ihm das mehr klar. Er konnte hier nichts tun. Im Gegensatz zu Cyra war sein Vater nur ein einfacher Handwerker gewesen und wie hoch Eliphas über ihm stand, durfte er sich gar nicht vor Augen führen.

Tay war tot und seine Lebensaufgabe beendet. Dieses Gefühl, nicht zu wissen was er tun sollte, hielt ihn nachts wach und begleitete ihn die ganze Zeit.

Er wollte Eliphas ein guter Freund sein aber er war sich nicht sicher, ob das das Richtige war. Er hatte keine Ahnung vom Leben bei Hofe und ganz sicher keine Erfahrung damit, wie man einem Prinzen half, der selbst lieber ganz woanders sein würde.

»Worüber denkst du nach?«, fragte Eliphas und lehnte sich neben ihn.
Hunter schüttelte den Kopf. »Was tue ich eigentlich hier?«

Der Prinz richtete seinen Blick gen Himmel. Es hatte ausnahmsweise aufgeklart und der Schnee, der das Königreich bedeckte funkelte im Licht der Sonne. »Du suchst eine Aufgabe?«

Hunter seufzte. »Ich passe hier nicht rein, dass musst du doch bemerkt haben.«

»Wohin willst du denn gehen? Zurück zu den Jägern?«
Hunter zuckte die Achseln. »Das weiß ich nicht.«

Snow Hunter - gefährliches ErbeWhere stories live. Discover now