Kapitel 51

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Königreich Anchor, Hauptstadt Alystowe

Cyra wusste, dass sie träumte. Sie schwebte über Alystowe, sah auf die schneebedeckten Turmspitzen und die leeren Straßen hinab.

Der Mond leuchtete am Himmel und er schien so nah, als bräuchte sie nur die Hand auszustrecken, um ihn zu berühren.

Das weiße Nachthemd flatterte leicht im Wind, aber es war nicht kalt. Allein deshalb konnte es nicht die Wirklichkeit sein.

Und dann war da natürlich noch der alte Mann, mit dem schütteren, weißen Haar und den blaugrauen Augen, die ihr sehr bekannt vorkamen.

»Magier Alaster.«

Der alte Mann lächelte nicht, seine Stirn lag in Falten und sein Blick sah traurig auf die Stadt hinab. »Ich werde das vermissen.«

»Ist das wieder ein Traum, den Ihr erschaffen habt, um mit mir zu sprechen?«

Alaster neigte den Kopf. »Ich habe meinen Geist hierhergeschickt, um dir etwas sehr Wichtiges mitzuteilen. Es betrifft die Sicherheit von ganz Anchor, deshalb musst du mir genau zuhören!«

Cyra sah ihn verwirrt an. »Solltet Ihr dann nicht besser mit dem König sprechen? Oder zu Eliphas?«

Alaster schüttelte den Kopf. »Der König ist zu krank und Eliphas zu gut abgeschirmt. Ich kann nur zu dir sprechen, weil dein Geist praktisch ein offenes Buch ist. Deine Barrieren sind leicht zu umgehen. Bei Magiern ist das schwieriger.«

Verblüfft hob Cyra die Augenbrauen. Es gab eine Barriere in ihrem Geist? Und Alaster konnte sie einfach so umgehen?

Der alte Magier machte eine ungeduldige Handbewegung. »Wir müssen uns beeilen, ich weiß nicht wie viel Zeit mir noch bleibt.«

»Zeit? Wovon sprecht Ihr?«

»Ich befinde mich im Moment in den dunklen Landen. Ich habe versucht, die Bedrohung aufzuhalten, die uns dort erwartet. Aber ich habe versagt.« Er schloss für einen Moment die Augen und seufzte. »Deshalb ist es jetzt an euch! Ihr müsst Kain irgendwie aufhalten!«

»Kain? Wer ist das?«

»Es würde zu lange dauern, dir alles zu erklären«, murmelte Alaster. »Es geht schneller, wenn ich es dir zeige. Bist du bereit?«

Cyra hob abwehrend die Hände. »Ich verstehe nicht ... wofür bereit?«
Aber der Magier antwortete nicht. Er berührte sie nur mit zwei Fingern an der Stirn und Cyra fiel in die Dunkelheit.

***
Als sie wieder etwas sehen konnte, schwebte sie nicht mehr über Alystowe. Sie wusste eigentlich gar nicht wo sie war. Sie war nicht einmal mehr Cyra. Ihre Füße bewegten sich ganz von selbst über dunkelroten Teppichboden, an mit Wandteppichen verzierten Wänden vorbei.

Das sind meine Erinnerungen, flüsterte Alasters Stimme in ihrem Kopf. Cyra wollte sich panisch umsehen, aber sie hatte keinerlei Kontrolle über den Körper mit dessen Augen sie sah. Alasters Körper. Der nun eine schwere Flügeltüre öffnete und in den Thronsaal des Palasts in Alystowe trat.

Riesige Säulen erhoben sich im gesamten Raum und durch die hohen Fenster fiel Sonnenlicht. Auf dem Thron am Ende saß ein Mann. Einen Moment lang dachte Cyra, es sei Locan, aber dann erkannte sie die strengen Gesichtszüge von König Aelros, der so viele Wände im Palast zierte.

Alaster blieb einige Meter vor ihm stehen und verbeugte sich tief. Das Haar, welches ihm ins Gesicht fiel war nicht weiß, sondern blond.

»Mein König. Ich bin zurück.«

König Aelros nickte erhaben. »Das sehe ich. Wie ist es gelaufen?«

Alaster trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. »Wir konnten ihn nirgendwo finden.«

Snow Hunter - gefährliches ErbeWhere stories live. Discover now