4 - Windstoß

74 21 58
                                    

„Weil du sie liebst", raunte er und lehnte sich zurück, um ihr die Tränen von den Wangen zu wischen.

Er war tief betroffen und gleichzeitig so sauer auf ihre Mutter und ihre Schwester. Da hatte Anna jahrelang alles für die beiden gegeben und sie ignorierten einen solchen Anlass? Er wusste, dass seine Freundin mit sich gehadert haben musste, ihnen eine Nachricht zu schreiben, nach dem, was an jenem Abend gelaufen war. Da hatte sie das Verhalten ihrer Mutter Julia schon schwer getroffen. Ihn auch. Aber das war nur ein nebensächlicher Fakt.

Jetzt verstand er, warum sie in den letzten Wochen wiederholt traurig auf ihr Handy gesehen und überprüft hatte, ob sie eine SMS erhalten hatte. Doch sie hatte ihm nicht gesagt, wieso. Sie hatten ihr nicht EINE Nachricht geschrieben? GAR NICHTS?

Er hätte merken müssen, was in ihr vorging. Denn genau in dem Moment, als sie ins Publikum gesehen hatte, war ihre Laune auf den Nullpunkt gesunken. Und er hatte sie auch noch alleine nach Hause fahren lassen, nachdem sie blöde angemacht worden und ohnehin schon angeschlagen gewesen war.

„Es tut mir leid, Anna. Ich hätte vorher mit dir zurückfahren sollen. Ich hab gemerkt, dass irgendwas in dir vorgeht. Ich hätte es nicht so stehenlassen sollen. Ich hab dich heute also auch alleingelassen...", murmelte er und bemerkte, wie sie kurz seinem Blick auswich.

‚Beweisführung abgeschlossen', dachte er automatisch und hörte, wie sie erwiderte: „Du hast nur getan, worum ich dich gebeten hab..."

***

„Ich hab mich auch nicht sonderlich dagegen gewehrt. Also musstest du diesen Abend wirklich allein verbringen. Aber ich hab eine Idee. Zieh dir bequeme Sachen an. Wir feiern jetzt unsere Party. Das macht zwar das Fehlen deiner Eltern nicht wett, die kann ich schlicht nicht ersetzen. Doch vielleicht kann ich noch dafür sorgen, dass du dich an diesen Abend trotzdem gerne zurückerinnerst...", erklärte er und sie sah ihm automatisch wieder in die Augen.

„Was? Du willst nochmal weg? Ich ... ich bin total verheult und seh wahrscheinlich...", setzte sie an, doch Flo legte ihr einen Finger auf die Lippen.

„Du siehst so schön wie immer aus. Denn für mich bist du das, Anna. Also los. Wir haben noch knapp eine Stunde. So lange dauert unser Einjähriges noch, das wir nicht gebührend gefeiert haben und ebenso lange ist der Tag, ab dem du über deine beschissene Schulzeit triumphierst...", sagte er und sie bemerkte, wie seine Augen leuchteten.

Sie schob seinen Finger von ihren Lippen und erwiderte: „Gibt nur ein Problem. Ich komm nicht mehr aus dem Kleid raus. Der Reißverschluss hat sich verhakt."

„Na dann, will ich meiner sexy Freundin mal helfen. Immerhin hab ich schon länger darüber nachgedacht, wie es wäre, ihr dieses Kleid auszuziehen", erklärte er schmunzelnd und sie wollte widersprechen.

Doch Flo zog sie näher zu sich, griff um sie herum und machte den Reißverschluss auf. Die Robe fiel zu Boden und sie sah, wie er irritiert die Augenbrauen hochzog. Sie folgte seinem Blick und schaute auf die potthässlichen Mieder, die sie doch hatte vor ihm verbergen wollen.

„Das war nicht ganz der Anblick, den ich erwartet hatte", scherzte er und sie schluckte, während sie merkte, dass sie rot wurde.

Instinktiv versuchte sie, mit ihren Armen zu verschleiern, was er nicht hätte sehen sollen und murmelte: „Ja, äh. Das hab ich vergessen. Äh. Nicht sexy. Gar nicht. Ich weiß. Aber, äh, die Verkäuferin meinte... Egal. Geh raus, damit ich das ausziehen und mich in einem Mauseloch verstecken kann, weil mein Freund mich in Shapewear gesehen hat, die das Unsexieste ist, was man anhaben kann."

„Hm. Ich find dich immer heiß. Sogar in Shapewear. Wozu auch immer die nötig sein soll. Aber gut. Ich füge mich deinem Wunsch und pack schon mal ein, was wir brauchen werden", erklärte er und wollte sich abwenden, ehe er es sich wohl anders überlegte, denn er drehte sich erneut zu ihr und sagte: „Anna?"

Mein Name ist Anna!Where stories live. Discover now