23 - Wolkendunst

59 15 43
                                    

„Ok. Ich fang an, dann ist es für dich nicht so schwer. Ja, ich habe einen fünfjährigen Sohn. Allerdings lebt er nicht bei mir, sondern bei meinen Eltern, weil ich das Sorgerecht verloren hab. Jetzt kommen die betroffenen Gesichter, die gleich noch etwas länger werden, wenn ich anfüge: Wegen einer Krankheit, die ich hatte. Ich bin gerade dabei, mir das Sorgerecht zurückzuerobern. Mit Massimos Hilfe, der, wie ihr euch denken könnt, nicht der Papa ist. Aber wie ein Vater. Hat mich mit meinem Sohn genommen, dabei dachte ich, ich bleib für immer allein, so als völlig durchgeknalltes Muttertier", erzählte Lari und zuckte mit den Schultern, während Anna bemerkte, dass sowohl Gretel als auch Flo neugierig an ihren Lippen hingen.

„Mein Ex ist zurück in die Staaten gegangen und hält zum Glück keinen Kontakt zu seinem Kind. Jonah darf nur zweimal im Monat für ein Wochenende zu mir, mehr gestattet das Jugendamt noch nicht. Deswegen bin ich ziemlich oft bei meinen Eltern. Um bei ihm zu sein. Egal. Also, du bist dran...", entschied Larissa, doch sie schüttelte den Kopf.

„Ich will die ganze Geschichte hören", sagte sie und Larissa sah sie lange an.

„Bekommst du zu hören. Wenn du mir erzählst, wie du auf einen solchen Bockmist kommst, alle würden dich hassen", erwiderte ihre Freundin gelassen und sie funkelte Lari an.

Larissa grinste frech. Offenbar wusste sie genau, dass sie darauf brannte, mehr zu erfahren. Sie sah im Augenwinkel, wie Florians Augen belustigt auffunkelten, und verdrehte ihre im Geiste. Natürlich fand er das amüsant. Sie fühlte sich nur wieder in die Ecke gedrängt. Nun gut. Viel gab es im Grunde ja nicht zu erzählen.

„Ich sage das, weil es so ist. Alle hassen mich, bis auf vielleicht die Personen, die hier am Tisch sitzen und laut deiner Aussage finden mich Massimo, Ela und Thomaso auch ok. Der Rest hasst mich, darum na ja, bin ich zu der Annahme gekommen, dass wohl die Mehrheit der Menschen Recht haben muss. Ende der Geschichte. Du bist wieder dran", erklärte sie und Larissa schnaubte.

„Vergiss es, Anna. Du lässt mich nicht knapp zwei Monate vom Haken und speist mich dann mit so einem Mist ab. Das ist zu wenig, dass ich dir weiter mein Herzchen ausschütte, da muss schon noch mehr kommen", stellte Lari fest und schob sich ungerührt nochmal eine Gabel in den Mund, während sie verkündete, das Essen sei echt lecker.

„Macht es dir eigentlich Spaß, mich immer so in die Ecke zu drängen?", fragte sie plötzlich und Laris Kopf flog zu ihr, ehe sie langsam nickte.

„Hm, ja. Ein bisschen. Weil du die Queen des Totschweigens bist und man dir sonst nicht alles aus der Nase ziehen könnte. Also mach es dir selbst leichter und sag Tante Larissa, wo der Schuh drückt. Dann hast du es hinter dir und ich nerve nicht weiter", erwiderte Lari und sie rollte jetzt tatsächlich mit den Augen.

„Klar, logisch. Warum frag ich auch so doof", murmelte sie automatisch und als sie in Larissas erwartungsvolles Gesicht sah, seufzte sie und fügte an: „Ich will nicht darüber reden, weil ich dann wieder zu flennen anfange. Ich heule eigentlich nur noch. Ich versuche, es zu vermeiden, weil es nichts ändert und es schlicht blöde ist. Hat mich die knapp 18 Jahre, wo ich im Grunde allein war, nicht weitergebracht und es das hat jetzt auch nicht. Aber gut. Ich hoffe, es reicht ausnahmsweise die Kurzform, weil ich nicht wieder heulen will."

Larissa legte ihr Besteck zur Seite und sah sie an, also gab sie zu: „Sie nennen mich Rüsseltier in der Arbeit, weil na ja, Elefant wäre wohl zu deutlich. Sie weigern sich, den Aufzug zu nehmen, er würde ja sonst überladen werden, schließlich ist das zulässige Beladungsmaximum bei 1200 kg. Da stürzt er sicher ein, wenn neben mir und zwei Aktenkartons mit grob geschätzt etwa je 10 Kilos noch ein oder zwei Personen einsteigen. Falls ich durch die Gänge gehe, höre ich sie tuscheln. Sie diskutieren, ob so ein monströses Rüsseltier wie ich in die Kategorie fickbar gehört und..."

Mein Name ist Anna!Where stories live. Discover now