13 - Wolkenbruch

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Kurze Zeit später kam er heraus und hatte wie vermutet sein Bettzeug auf dem Arm, während sich in ihrem Kopf die Gedanken überschlugen.

Sie ließ ihn allein? Das war nicht so gedacht. Sie sehnte sich fürchterlich nach ihm und danach, etwas mit ihm zu unternehmen, doch er brauchte wohl im Moment Abstand oder anderen Input. Weswegen sie ihm den Freiraum gegeben hatte. War das jetzt falsch? Und was den Sex anging, ja, den hatten sie, aber es war eher zu „Sex im Vorbeigehen" geworden.

Nicht lieblos, doch belangloser als zuvor. Sie hatte gedacht, das wäre ok für eine Zeitlang, er dachte jedoch offenbar, er wäre nur noch ein Betthäschen für sie. Was hieß überhaupt, er bekäme Angebote von anderen Frauen? Die würde er niemals annehmen. Oder? Er war früher kein Kostverächter gewesen, dazu stand er offen und ehrlich. Aber das hieß nicht, dass er ... Richtig?

Was wollte er sagen, wenn er behauptete, sie würde sich in ihrer Opferrolle wohlfühlen? So war das nicht. Sie hatte nur Skrupel und Angst, dass alle sie wieder nur auf ihr Gewicht reduzierten. Die Vergangenheit hatte gezeigt, dass es meist darauf hinauslief. War es falsch, dass sie sich Vermeidungstechniken zu Konfrontationen zugelegt hatte? Das konnte er ihr doch jetzt nicht plötzlich aberkennen, richtig? Bisher war das in Ordnung für ihn gewesen, wieso hatte sich das geändert? Was zum Teufel war passiert, seit er dieses Studium begonnen hatte?

Oder hatte sie sich verändert? Sie war oft müde, ja, von der Arbeit. Es waren viele Infos, die sie immer wieder zu verarbeiten hatte und oft kostete es sie im Büro schon Überwindung, sich neuen Kollegen zu stellen. Ihr Bedarf an Fremden war gedeckt, wieso verstand er das nicht? Bedeutete eine Beziehung, dass man sich automatisch mit den gleichen Leuten einlassen und beschäftigen musste wie der andere?

Er hatte nicht nur ein Anrecht auf einen eigenen Freundeskreis, sie musste auch nicht jeden daraus mögen, richtig? Die Leute, mit denen er sich traf, lagen eher auf seiner künstlerischen und studentischen Wellenlänge, sie wüsste gar nicht, ob es da Überschneidungen gab. Oder sah sie das falsch?

Sie hatte keine Ahnung mehr. Sie wusste nur, dass der junge Mann, den sie über alles liebte, hier mit Vorwürfen in die Wohnung platzte und sie völlig überrumpelt hatte. Sie hätte für heute auch Pläne gehabt. Mit ihm, nebenbei gesagt und die hatten nichts mit Sex zu tun gehabt. Aber er hatte sie nicht wirklich zu Wort kommen lassen. So kannte sie ihn nicht. War das dem Alkohol geschuldet oder dachte er jetzt anders als vor ein paar Monaten? Was war los? Sie konnte es nicht sagen. Sie wusste nur, dass die Spitzen gesessen hatten, die er abgefeuert hatte.

‚Sehr', dachte sie bekümmert und deckte das Essen ab, das sie ihm aufbewahrt hatte, um es im Kühlschrank zu parken.

Dann sank sie in sich zusammen und fragte sich, ob ihre Beziehung gerade dabei war, in die Brüche zu gehen.

*

Knapp sechs Wochen später stand Weihnachten vor der Tür und das Verhältnis zu Florian war weiterhin unterkühlt. Sie sprachen nur noch das Nötigste. Er erkundigte sich nicht mehr, wie es bei ihr in der Arbeit erging und sie sich nicht, wie es ihm im Studium gefiel. Sie fand keinen Anknüpfungspunkt. Auch der sonstige Kontakt war aufs Minimum reduziert. Sie aßen nicht mehr miteinander, machten nichts zusammen und lebten nur nebeneinander her. Jetzt stand Weihnachten vor der Tür und sie hatte jeden Tag mehr mit sich zu kämpfen, die Fassung zu wahren.

Weil seine Worte sie tief verletzt hatten und es sie schmerzte, wie sie miteinander umgingen. Sie konnte nicht mehr. Doch sie konnte auch nicht so tun, als hätte sich dieser Abend nicht ereignet. Er hatte sich nicht entschuldigt für seine Worte. Demnach hatte er sie ernstgemeint. Er rief sie nicht an, wenn er mit anderen unterwegs war. Er hatte das Interesse daran verloren, sie mitzunehmen. Sie würde ihn verlieren, das war ihr mittlerweile klar.

Mein Name ist Anna!Where stories live. Discover now