44 - Windbrise

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Fuck, war Anna schnell, sie hatte ihn schon fast eingeholt, obwohl sie ihm mehr Vorsprung zugestanden hatte, als er vermutet hatte. Er war beinahe bei der Boje gewesen, als seine Freundin wieder aus der Wasseroberfläche getaucht und mit ihren weitausholenden Kraulbewegungen zu ihm aufgeschlossen hatte.

Jetzt klebte sie ihm bereits am Hintern, war nur noch eine Menschenlänge davon entfernt, mit ihm gleichauf zu sein. Als er sein Gesicht zu ihrer Seite drehte, erhaschte er den verbissenen Ausdruck seiner Freundin. Oh ja, sie war echt sauer. Er hätte sie nicht in die Ecke drängen sollen, aber er hatte nicht widerstehen können. Ein Wettschwimmen mit ihr war einfach zu verlockend gewesen.

Genauso wie die Aussicht, mit ihr auf ein Eis zu gehen. Genau deswegen musste er einfach gewinnen, sagte er sich und gab nochmal Gas. Er bemerkte wie Anna ebenso beschleunigte. Es waren nur noch etwa 150 Meter und statt den Abstand zu vergrößern, verringerte er sich gerade. Fuck, das ging nicht ok, verdammt! Sie hatte ihm so einen großen Vorsprung gewährt und gewann trotzdem?

‚Das werde ich nicht zulassen', dachte er in dem Augenblick, als ihm auffiel, wie Anna zurückfiel.

Er runzelte die Stirn und fragte sich, was das sollte. Machte sie wieder einen ihrer Tricks? Ließ sich zurückfallen, um Kraft zu sparen, und schließlich auf den letzten Metern nochmal alles aus sich herauszuholen? Oder wollte sie ihn gewinnen lassen? Vielleicht hatte sie aber auch Muskelkater wegen des Vorfalls gestern? Dann hatte sie ohnehin schon schwerere Voraussetzungen gehabt und hätte ihm keinen Vorsprung gelassen. Richtig?

Das würde er ausschließen. Also ein mieser Trick, um ihn in die Irre zu führen, damit er vielleicht nachließ. Nicht mit ihm. Nicht, wenn es um einen Wetteinsatz wie ein Eisessen mit Anna ging. Etwa 70 Meter, die packte er auch noch, obwohl seine Muskeln protestierten und die Luft etwas knapper wurde.

Seine Arme wurden lahmer und er musste der Trägheit tatsächlich nachgeben, um nicht vollends schlapp zu machen. Das ärgerte ihn wirklich, weil Anna jetzt echt wieder aufschloss. Ratzfatz war sie ihm um einen Kopf voraus und das mobilisierte aber nochmal Kräfte in ihm. Er wollte mit ihr auf ein Eis gehen!

Er hatte jedoch keine Chance mehr. Anna setzte sich ab und schwamm unter lautem Gegröle der anderen ins Ziel. Nur Sekunden später folgte er ihr, doch sie hatte unbestritten gewonnen. Sie atmete genauso schwer wie er und er machte sich bereit, ihr den üblichen Siegerkuss zu geben, aber Anna warf ihm nur einen abschätzigen Blick zu. Dann verließ sie wortlos den See, griff sich am Ufer das Shirt, zog es schweigend über, ignorierte die anderen und stampfte zurück zum Bully. Upsi.

Sie war wütender, als er auf dem Schirm gehabt hatte. Wenn Anna Zärtlichkeiten ablehnte, war sie überaus zornig. Das hatte er noch nicht oft geschafft. Er schluckte hart und verließ ebenfalls den See, während sich betretene Gesichter auf ihn hefteten.

„Oh, wir haben wohl übertrieben", verkündete auch Alina und er nickte schulterzuckend, ehe er das Handtuch entgegennahm, das ihm seine Mutter reichte.

‚Das muss ich wieder gerade rücken', dachte er und beschloss, dass er sich dafür aber die Clownsnase aufmalen lassen würde.

„Da bekommt wohl einer eine rote Nase", sagte seine Mama auch schon und er nickte, als sie den Lippenstift zückte und ihm damit einen leuchtenden Punkt aufmalte, ehe sie murmelte: „Und nun geh das klären. Das war echt nicht fair, Raupe. Ihr habt ihr gar keine Chance gegeben, als einzuwilligen, weil ihr an ihre Ehre gegangen seid."

„Hab ich jetzt auch kapiert", erwiderte er leise und seine Mutter nickte und strich ihm über die Wange.

„Du bekommst das schon wieder hin. Da kommst du mir nach", scherzte sie und er grinste.

Mein Name ist Anna!Where stories live. Discover now