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Er registrierte, wie Anna schluckte und flüsterte: „Ich bin ein totaler Sozialkrüppel, Larissa. Ich hab das Freundschaftsding einmal ausprobiert, bin so richtig kräftig auf die Schnauze gefallen und jetzt ... weiß ich nicht ... ich hatte seitdem keine Freundin mehr. Ich ... ich wollte dich damit nicht verletzen oder so. Ich, hm, äh, weiß nur nicht ... ich würde gerne einfach so vertrauen, aber ... das fällt mir schwer. Das ist nicht persönlich gemeint. Gar nicht. Du bist toll. Aber ich bin ... nicht so toll. Ich befürchte, ich ... Als Flo mir gesagt hat, dass er sich in mich verknallt hat, da bin ich für fast eine Woche abgetaucht. Weil ich Schiss hatte. In gewisser Weise bin ich wohl doch ein Elefant. Wenn man mich tief verletzt, wirkt das nach. Lange. Hat Auswirkungen. Ich weiß nicht, wie ich es erklären soll. Tut mir leid."

Larissa sah Anna lange an, seufzte schließlich, ehe sie schlagartig grinste, und meinte: „Na ja, dann bin ich zufrieden, dass du mir eine SMS geschrieben hast, als es dir schlechtging. Das ist doch etwas. Sowas wie ein Vertrauensbeweis. Außerdem hast du gesagt, ich wäre ein Grund zu bleiben, weil es dir gefällt, mit mir befreundet zu sein, obwohl ich anstrengend bin. Da ich das weiß, kann ich weiter geduldig sein. Wir sind alle irgendwie Krüppel. Das schreckt mich nicht ab. Mich stört aber, dass du offenbar den Worten dieser bescheuerten, engstirnigen Menschen glaubst, mit denen du zusammenarbeiten musst. Du bist weder dumm noch hässlich. Du entsprichst nicht dem gängigen bekloppten Ideal, doch das sagt rein gar nichts über deine Person aus. Aber ich kann dir zeigen, was hässlich ist. Warte. Dauert nicht lang..."

Ihm war aufgefallen, dass Lari immer ernster geworden war, während sie gesprochen hatte. Jetzt zog sie ihr Telefon hervor und suchte mit konzentrierter Miene etwas. Anna saß eingesunken auf ihrem Stuhl und stierte auf die Tischplatte. Sie sah unwahrscheinlich müde aus und er wollte sie in den Arm nehmen. Weswegen er nun aufstand und um den Tisch herumging. Sofort flog ihr Blick zu ihm, als er vor ihr stehenblieb und sie auf die Beine zog.

Wortlos setzte er sich auf ihren Stuhl und umfasste ihre Hüfte, um sie auf seinen Schoß zu bugsieren. Er konnte jetzt gerade nicht anders. Er brauchte ihre Nähe. Das Wissen, dass sie zwar angeschlagen, aber da war. Mit leisem Seufzen ließ sie sich auf seinen Oberschenkeln nieder und lehnte den Kopf an seine Schulter. Der Tag musste sie ausgelaugt haben, dachte er in dem Moment, als Larissa einen triumphierenden Laut ausstieß und seiner Freundin das Telefon reichte.

„Das, Mäusle, das ist hässlich", sagte diese dazu und er starrte genauso auf das Foto, das auf dem Display zu sehen war wie Anna.

Sie sah Lari lange an und die lächelte schief, als seine Freundin flüsterte: „Wer ist das?"

Larissa zuckte mit den Schultern und meinte: „Das Skelett da bin ich. Da hatte ich schon wieder zugenommen. Das war am Tag meiner Entlassung aus dem Krankenhaus, bevor mich Papa zur Anschlussheilbehandlung fuhr. Ich hab das Foto behalten, weil ich mich immer daran erinnern wollte, dass ich mir das nie wieder antun will. Schon gar nicht wegen eines Kerls."

Er hörte, wie Anna schluckte und unterdrückte das fassungslose Kopfschütteln, als er die junge Frau betrachtete, die mit glanzlosen Augen, matten Haaren und bis auf die Knochen abgemagert auf dem Bild zu sehen war. Das sollte Larissa sein?

„Anna, es ist scheißegal, wie du aussiehst. Du hast einen schönen Charakter und ein gutes Herz, das hab ich gleich bemerkt. Du bist nicht hässlich, verdammt. Du bist mehr zum Liebhaben. Außerdem brauchen großartige Persönlichkeiten Platz. Nenn es, wie du willst. Aber hässlich bist du nicht. Ganz und gar nicht. Egal, wie viele Menschen denken, je schlanker, desto besser. Zum Glück sind nicht alle Menschen gleich. Weder charakterlich, noch äußerlich. Wie scheiße wäre das? Es macht mich fertig, dass du so eine Kacke glaubst, aber ich weiß, wie es dazu kommt. Ich weiß es genau. Wenn mich jemand ein Jahr, bevor dieses Bild aufgenommen wurde, gefragt hätte, ob ich magersüchtig werden könnte, hätte ich ihn ausgelacht", gab Lari leise zu und er merkte, dass Annas Hand leicht zitterte, als sie das Telefon zur Seite legte.

Mein Name ist Anna!Where stories live. Discover now