Wilhelm der Weinhändler

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„He! Wer ist da?", erklang die Stimme, die gerade noch ein Lied zum Besten gegeben hatte.

Henry seufzte und sah Anna kopfschüttelnd an. „Gut gemacht, du Pfeife." Er stand auf und hob die Hände. „Guten Morgen, Sir!", sagte er höflich und auch Anna stand zögerlich auf.

Einige Meter von ihnen entfernt auf dem Waldweg stand eine ramponierte Kutsche, die von einem Pferd gezogen wurde. Obenauf saß ein alter Mann mit weißem Vollbart und grünem Hut. Er hatte ein Gewehr auf die beiden gerichtet und musterte sie aufmerksam. Seine Klamotten waren mottenzerfressen, seine Haut schmutzig und faltig. Es war eindeutig ein Zwischenstädter.

„Wer seid ihr?", fragte er wütend. „Mich am früh'n Morgen so zu erschrecken, Kinners!"

„Tut uns leid", sagte Anna. „Wir dachten nur –"

„Himmelherrgott!", stieß der Mann aus und zeigte auf Imo, der neben Anna über den Baumstamm sprang. „Wer ist denn dieses Monstrum?"

„Also wirklich!", sagte Henry beleidigt. „Nur weil Annas Haare aussehen wie das Nest eines Otters müssen Sie nicht gleich ausfallend werden."

„Wie lustig", lächelte Anna.

Der Mann ließ das Gewehr sinken. „Es is' gefährlich hier draußen. Was habt ihr hier zu such'n, he?"

Henry und Anna wechselten einen Blick.

Der Mann hingegen brach in schallendes Gelächter aus. „Bei den Taufgöttern!", rief er aus. „Wow, das glaub' ich ja nich'." Er wischte sich Tränen aus den Augenwinkeln, sein Lachen ebbte langsam ab. „Ich frag' am besten gar nich', wa? Na dann, Kinners. Springt auf."

„Was?", fragte Anna.

Er lächelte geheimnisvoll. „Ihr wollt keine Piratenjäger treff'n, oder?"

Sie starrten ihn an. „Woher ...", begann Anna, doch der Mann winkte nur ab.

„Ihr seid keine Zwischenstädter, das seh' ich sofort – du da definitiv nich'." Er zeigte mit einem dicken Finger auf Anna. „Aber inner Stadt seid ihr auch nich', also wollta hier draußen auch keine Piratenjäger treff'n." Er tippte sich an die Stirn. „Einfache Mathematik." Der Zwischenstädter wies mit dem Kopf auf den hinteren Teil des Wagens, auf dem gut dreißig Fässer geladen waren. „Hier seid ihr je'nfalls nich' sicher vor'n Piratenjägern, glaubt's mir."

Henry zuckte die Schultern und ging zur Kutsche. „Da muss ich ihm zustimmen."

„Aber ... warum würden Sie uns helfen?", fragte Anna, ohne sich auch nur einen Zentimeter zu rühren.

Der Mann zuckte die Schultern. „Du, sonst bleibste halt hier, mir schnuppe."

Anna zögerte, dann ging sie langsam zu dem Wagen und zog sich neben die Fässer. „Was ist da drin?", fragte sie.

Der Wagen setzte sich ruckartig in Bewegung, Imo trottete selig neben ihnen her. „Kindchen, ich bin Wilhelm. Der Weinhändler. Nie von mir gehört?"

Anna setzte sich auf, als könnte schon die bloße Berührung mit einem der Fässer sie betrunken machen. „Och kommt schon!"

Der Mann lachte und auch Henry schüttelte grinsend den Kopf. „Genau." Der Zwischenstädter seufzte selig. „Wenn die Piratenjäger uns finden ... hab' ich 'n ganz anderes Problem als euch beide."

„Wo fahren wir hin?", fragte Henry.

„Meine Leute warten in 'ner Bucht mit 'nem kleinen Schiff, dann geht's hoch auf die Nordhälfte. Wir segeln noch heute Abend zum Loras-Hafen."

„Ha!", sagte Henry. „Das nenne ich Glück. Wilhelm, wenn ich in Echo behaupte, dein Wein sei der beste, den ich je getrunken habe, nimmst du dann mich und die kleine Spaßkanone hier mit auf die Nordhälfte?"

16521 Band 1: Der Pirat, der Bär und der Regenजहाँ कहानियाँ रहती हैं। अभी खोजें