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„Okay, alles frei", flüsterte Anna, während sie sich hinter einer riesigen Fischernetzrolle versteckten.

Das Piratenjägerschiff, die Ellen, befand sich genau am Steg vor ihnen, doch nur noch wenige Piratenjäger befanden sich vor Ort. In der letzten halben Stunde war der gesamte Loras-Hafen auf den Kopf gestellt worden, überall suchte man nach Anna und Henry – es war nur noch eine Frage der Zeit, bis man sie entdecken würde.

Anna wollte losgehen, doch Henry hielt sie zurück. „Schön hiergeblieben", sagte er und drehte sie zu sich herum. „Ich weiß, bei der Vorstellung, auf mich hören zu müssen, fängt dein gesamtes schwarzes Städterblut an zu brodeln. Aber wenn wir hier lebend rauskommen wollen, wird dir nichts anderes übrig bleiben. Also tu, was ich sage, Bandowski, alles klar? – Nein", sagte er, als Anna den Mund aufmachte. „Einfach nicken. Keine Sorge, ich verspreche dir, in wenigen Stunden darfst du mich wieder so viel nerven, wie du willst."

Anna funkelte ihn an. „In wenigen Stunden gehen wir beide hoffentlich getrennte Wege."

„Oder so ..." Henry sah zur Ellen. „Okay. Es ist ganz einfach, Bandowski. Wir müssen erstmal nur aufs Schiff."

„Wow", sagte Anna. „Ich brauchte echt erst einen waschechten Piraten, um diesen tollen Kapertipp zu kriegen?" Sie wandte sich wieder zum Schiff. „Sie haben nur zwei Piratenjäger dagelassen. Die eine kenne ich. Sie heißt Ricarda und ist ein Miststück. Aber unfähig, also sollte sie kein Problem werden. Den anderen kenne ich nicht, aber er muss auch ein Piratenjäger vierten Ranges sein."

Sie gingen los, Imo wartete gelangweilt in ihrem Versteck. Ricarda, eine alte Klassenkameradin von Anna, unterhielt sich mit dem anderen Piratenjäger, sodass die beiden Anna und Henry erst bemerkten, als sie bereits gemächlich über die Planke an Deck gingen.

„Hey, was –", begann der Junge, während Ricarda Anna schockiert anstarrte.

„Anna! Scheiße, oh Gott, nein!" Sie wollte ihre Waffe ziehen, doch diese rutschte aus ihren zittrigen Fingern und schlitterte über das Deck.

Henry nutzte die Überraschung des zweiten Piratenjägers und richtete seine Pistole auf den Mann. „Tu's deiner Freundin nach und lass die Waffe fallen", sagte er ruhig.

„Anna, was machst du hier bloß?", fragte Ricarda, während Anna zu ihr ging und sie zum Hauptmast zog. „Du machst einen schrecklichen Fehler!"

Mit ihren eigenen Handschellen fesselten sie beide Piratenjäger wie abgesprochen am Mast. „Mein Gott, Anna!" Ricarda sah sie mit großen Augen an. „Du hast keine Ahnung, was hier vor sich geht. Elsa Li und die ..." Sie stoppte ab.

Anna zog sie am Kragen zu sich. „Was ist mit Elsa Li?", fragte sie wütend.

Ricarda lachte abfällig. „Sagen wir es einfach so: Lange wird es die Städte sowieso nicht mehr geben."

Anna starrte sie an. „Was meinst du damit?"

„Anna", sagte Henry warnend. Sie sah sich um. Piratenjäger rannten die Stege entlang und auf das Schiff zu.

Anna stieß Ricarda von sich und stand auf. „Toll. Und jetzt?"

Er lächelte. „Was denn? Läuft doch alles nach Plan." Henry stand auf und zog sich an der Takelage auf die Reling. „Hey!", rief er und winkte. „Hey, hier sind wir!"

Anna hatte es versprochen, sie wollte sich nicht einmischen. Doch es gefiel ihr ganz und gar nicht, als sie Henry einfach so in den Bauch des Schiffes folgte. Wenige Sekunden, nachdem das Tageslicht sie verlassen hatte, hörten sie bereits die Piratenjäger, die an Deck Befehle brüllten, und Stiefel, die ihnen ins Schiff hinein folgten.

16521 Band 1: Der Pirat, der Bär und der RegenWhere stories live. Discover now