3 Forderungen

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Der Saal war genauso angsteinflößend groß wie bei Bris erstem Besuch beim Rat der Sechsundzwanzig Städte. Bri hatte die ungeteilte Aufmerksamkeit der Piratenjäger. Jeder starrte sie an. Helen lächelte ihr aufmunternd zu.

Sei stark, Briseis. Bitte. Einmal, sagte sie sich, räusperte sich und faltete mit zittrigen Händen den Zettel auseinander, den sie in ihrer Zelle beschrieben hatte. Sie atmete tief ein.

„Ich habe mich ..." Sie stockte, als sie merkte, wie leise und klein ihre Stimme klang. Als sie erneut begann, wurde ihre Stimme fester. „Ich habe mich entschieden, auf die Forderungen von euch einzugehen." Sie richtete ihren Blick auf Adrian Zimmerman. „Aber ich habe einige Bedingungen, die –"

„Bedingungen?" Ein Mann mittleren Alters lachte glucksend und die Hälfte der Ratsmitglieder stimmte mit ein.

Bri bemühte sich, ganz ruhig zu bleiben. „Ja, Bedingungen." Der Hass und die Wut stiegen ins Unermessliche. Diese Menschen hatten Henry und seine Brüder gefoltert. Sechsjährige Kinder. Die Piratenjäger hatten dafür gesorgt, dass die Schulz' in ein Arbeitslager geschickt wurden, und wollten dieses nun vernichten. Jetzt verlangten sie von Bri, dass sie den letzten Menschen, der ihr noch etwas bedeutete, verriet.

„Seit wann dürfen Staatsverbrecher Forderungen stellen?", fragte Mona, das Mädchen neben Mia, mit arroganter Stimme. Wieder erklang zustimmendes Lachen und Raunen.

„Mona", warnte Helen und lächelte Bri an. „Bitte, Briseis. Rede weiter."

Bri hatte sich in der Zelle eine einfache Frage gestellt: Was hätte Henry getan, wäre die Situation umgekehrt? Diese Frage im Hinterkopf zu haben erschien ihr wenigstens ein wenig fairer ihm gegenüber. Dabei herausgekommen waren drei einfache Forderungen.

Sie hob das Kinn an. Vielleicht demonstrierte das ja Stärke. „Ich werde Henry Fitz–Becket nur an euch ausliefern, wenn ..." Sie sah auf ihren Zettel. „... ihr mir versprechen könnt, dass das Arbeitslager bei den Foxtroter Wasserwerken nicht zerstört wird. Jeder einzelne, der dort ist – ob Pirat, ob Dissident oder – oder Staatsfeind oder Zwischenstädter ..." Mit wem haben die Sechsundzwanzig Städte eigentlich keine Differenzen? „Jeder einzelne muss am Leben bleiben."

Rufe wurden laut, einige Piratenjäger standen wütend auf. „Das ist ja wohl lächerlich!", rief eine junge Frau und ein anderer forderte wütend die sofortige Exekution.

Adrian Zimmerman hob die Hände und die Anwesenden beruhigten sich. „Woher weißt du davon?", fragte er mit zusammengekniffenen Augen.

„Äh ..." Mia schüttelte hastig den Kopf. Bri seufzte. „Spielt doch keine Rolle, ich weiß es halt." Bevor dieses nervtötende Gemurmel wieder anfangen konnte, fuhr sie fort. „Wie auch immer. Zweitens: Ich bekomme eine Zusicherung, dass ... ich niemals unter Druck gesetzt werde wegen der Zahlen."

„Was meinst du mit unter Druck setzen?", fragte Adrian verwirrt.

Bri erwiderte seinen Blick. „Ich bekomme die Zusicherung, dass ich nicht gefoltert werde."

Dazu hatte anscheinend niemand etwas zu sagen. Traurige, abschätzende, wütende, mitleidige, verzweifelte Mienen: Alles war dabei.

„Und Drittens, Briseis?", fragte Adrian nach langem Schweigen.

Bri nahm den Zettel und starrte den dritten Punkt an, den sie mehrmals unterstrichen hatte. „Drittens." Sie hob ihr Kinn wieder an. „Henry darf nichts passieren. Er wird weder gefoltert noch – noch getötet, wenn er euch nicht mehr von Nutzen sein sollte." Adrian verengte die Augen zu Schlitzen, doch Bri fuhr fort. „Nur wenn ihr mir diese drei Sachen zusagt, werde ich Henry Fitz–Becket ... zu euch bringen."

16521 Band 1: Der Pirat, der Bär und der RegenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt