Sein letzter Wunsch

40 14 1
                                    

„Wusstest du es?"

Bri saß im Schlafraum an eines der Hochbetten gelehnt. Neben ihr saßen Charlie und Teddy, die zwei Schüsseln mit einer übel riechenden Suppe runter zu würgen versuchten.

Die Erkenntnis, dass die Piratenjäger ihr verschwiegen hatten, dass die Foxtroter Wasserwerke zerstört waren, bevor sie die Forderung überhaupt gestellt hatte, traf Bri zutiefst. Genau wie die Tatsache, dass ihre Schwestern ihr nichts davon gesagt hatten. Genaugenommen hatte Mia ihr erzählt, dass die Wasserwerke zerstört werden sollten, als die Insassen schon längst tot gewesen waren.

„Ich schwöre es, ich hatte keine Ahnung", sagte Teddy, das erste Mal ernsthaft schockiert, seit sie sich kannten. Genau wie Bri.

Selma, Fritz, Maria, Sophie, ein kleines Kind, und Tom. Sie waren alle tot. Weg. Und als sie schon tot gewesen waren, hatte man Bri in dem Glauben gelassen, mit Henrys Leben für ihres bezahlen zu können.

Bri stand nickend auf. „Gut. Lebt wohl." Sie ging zur Tür.

„Äh, was hast du vor?"

Sie drehte sich um. „Die Piratenjäger haben mich belogen", rief sie, außer sich vor Zorn. „Sie haben mich benutzt. Meine eigenen Schwestern, meine Familie! Ich werde keinen Tag länger in dieser Stadt bleiben, das –"

Teddy stand auf. „Du kannst nicht einfach gehen, wo willst du denn hin?"

Bri ging zur Tür. „Ist mir egal. Hauptsache weg von hier." Ihr war bewusst, dass niemand mehr lebte, dem sie etwas bedeutete. Da war niemand mehr, den sie um Hilfe bitten konnte. Die Schulz' waren tot. Nick. Ihre Schwester Anna, Benjamin Paas und ihre Mutter. Ihr Vater war seit Jahren fort. Und Helen und Mia belogen und betrogen sie am laufenden Band. Und Henry ...

Henry. In so kurzer Zeit hatte er es geschafft, der wichtigste Mensch in Bris Leben zu werden. Und sie hatte das alles an einem Tag zerstört.

Briseis war ganz allein.

„Sie werden dich aber nicht gehen lassen", sagte Charlie mit Schrecken im Gesicht.

„Es ist ja nicht so, als würde ich die Piratenjäger fragen", fauchte sie. „Ich werde keinen Tag länger hier bleiben –"

Es klopfte an der Tür. Teddy öffnete sie, während Bri eine Hand an ihre Stirn legte und aus dem Fenster sah.

„Bri, komm mit." Sie hörte Mias Stimme, doch sie drehte sich nicht um. Sie starrte aus dem Fenster. „Wir haben nicht viel Zeit, also ..."

„Verschwinde einfach", murmelte Bri und zog ihren Rucksack unter dem Bett hervor.

Mia trat zu ihr. „Was hast du vor?"

Sie ging an ihrer Schwester vorbei auf den Flur. Mia folgte ihr. „Bri, rede mit mir."

„Ich gehe."

„Und wohin?" Diese Frage hatte Bri sich noch nicht beantwortet. Einfach weg. „Du kannst nicht gehen", sagte Mia bestimmt.

Bri drehte sich zornig um. „Wegen der Zahlen, oder was?" Sie ging einen Schritt auf Mia zu. „Lass mich eines klarstellen, Mia", zischte sie abfällig. „Ich kenne die Zahlen nicht. Und ob ihr mir das nun glaubt oder nicht, ich ..."

Und hier wurde es Bri klar. Die Piratenjäger hatten zwei ihrer drei Forderungen bereits ignoriert. Wer konnte ihr da noch garantieren, dass die letzte eingehalten werden würde? Die Piratenjäger wollten die Zahlen. Genauso wie sie Henry gewollt hatten. Und keines ihrer Versprechen würden sie halten, vor keinen grausamen Maßnahmen zurückschrecken.

Bri sah ihre Schwester ängstlich an. Dann rannte sie los.

Mia hielt sie fest. „Was ist bloß los mit dir?"

16521 Band 1: Der Pirat, der Bär und der RegenWhere stories live. Discover now