Der 2. Drilling

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„Was tun Sie hier?" Annas Stimme klang seltsam leise in dem großen Raum.

Elsa Li blieb stehen. „Bandowski?", fragte sie ungläubig.

„Was tun Sie hier?", wiederholte Anna.

Die Piratenjägerin fand ihre Fassung schnell wieder. „Das Gleiche könnte ich dich fragen. Du solltest tot sein. Mehrmals. Moment, was macht der hier?", fragte sie, als sie Henry wiedererkannte.

Fitz–Becket sah überrascht von Henry zu Li. „Sie kennen also meinen Neffen Henry?"

„Halt. Henry – Henry Fitz–Becket?", fragte sie ungläubig. „Wir hatten mehrere Tage Henry Fitz–Becket in unserer Gewalt?" Sie lachte plötzlich. „Anna, eigentlich hatte ich die Geschichte erfunden, dass du ihn befreit hast – aber dass es tatsächlich stimmt finde ich doch sehr beeindruckend."

Anna trat auf Elsa Li zu. „Was für Verhandlungen?", fragte sie aufgebracht. Jemand zog sie zurück.

Li lachte kalt und verschränkte die Arme vor der Brust. „Im Krieg gewinnen die Stärksten. Dazu gehören die Sechsundzwanzig Städte jawohl nicht mehr. Ich möchte gewinnen. Also muss eine starke Einheit gebildet werden."

„Sie – Halt, Sie verraten die Sechsundzwanzig Städte?" Anna schüttelte verständnislos den Kopf. „Aber ihr Gerede von der Macht und Unbesiegbarkeit der Sechsundzwanzig am Tag der ..." Anna schluckte schwer. So viele Erkenntnisse brachen auf einmal über sie herein. „Sie wissen, dass ich die Bombe nicht gezündet habe."

Die Piratenjägerin lächelte. „Natürlich warst du das nicht. Weil wir das waren."

Anna starrte sie an.

Elsa Li musterte Henry nachdenklich. „Die Nordpiraten waren einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort – was uns zu Gute kam."

Anna schüttelte den Kopf. „Aber ... warum wollten sie mir das dann anhängen?"

„Weil einfach alles gepasst hat, Anna." Li suchte ihren Blick. „Du warst mit Nick Sloan befreundet, also hat man mir schnell geglaubt. Außerdem wollte ich dich loswerden. Du bist zu nah an dem Rat der Sechsundzwanzig Städte dran – du warst im Weg."

„Was zur Hölle – ich habe gar keinen Kontakt zu meinen Schwestern!", sagte Anna schockiert.

Li zuckte die Schultern. „Von mir aus. Trotzdem wäre dein Tod ein kleines Geschenk an Helen und Mia. Ich konnte die beiden nie leiden." Sie kam näher. „Ganz zu schweigen von deinem Vater, diesem versoffenen Volksverräter."

Lucius Fitz–Beckets Stimme drang nur gedämpft an Annas Ohr. „Durch die Attentate konnten alle unerwünschten Piratenjäger, die noch loyal zu den Sechsundzwanzig Städten standen, ausgelöscht werden", erklärte er triumphierend.

„Zuerst kümmern wir uns um Foxtrot und die anderen vier Städte im Süden", fuhr Elsa Li fort. „Und schon bald gehören uns alle sechsundzwanzig. Und dann sind die Piratenjäger ...", sie sah Anna an, „... und die Nordpiraten ...", ihr Blick wanderte zu Henry, „... Geschichte."

Anna riss sich los und trat wütend auf sie zu. „Das ist doch Schwachsinn, das werden die Piratenjäger niemals zulassen."

Li schaute sie herablassend an. „Na dann."

„Ich werde nach November gehen und –"

„Und was?" Elsa Li schüttelte lächelnd den Kopf. „Der Befehl lautet, Anna Bandowski umgehend zu erschießen, sobald sie gesehen wird. Niemand wird dich reden lassen. Und selbst wenn ..." Sie hob die Augenbrauen. „Wer bist du schon?"

16521 Band 1: Der Pirat, der Bär und der RegenWhere stories live. Discover now