Robins Fehler

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Die Tür fiel zu.

„Was?", fragte Henry nach einer Weile, als Anna ihn wieder nur anstarrte.

Sie zuckte die Schultern. „Ich bin nur überrascht."

Er schüttelte verständnislos den Kopf. „Was?"

„Keine Ahnung", sagte sie provozierend. „Nach all den Gerüchten, die ich mir all die Jahre über dich und deine Brüder anhören musste ... habe ich wirklich erwartet, dass ihr besser ausseht."

Er lächelte sie an. „Ich freue mich immer wieder zu hören, dass ganz Septentrio so begeistert von meinem Aussehen ist. Komm schon, hör auf mich anzustarren, Anna."

„Wie konntest du mich so belügen?", flüsterte sie wütend. „Du ... hast die ganze Zeit über geplant, mich an deinen Vater auszuliefern?"

„Mein Gott, natürlich nicht", sagte Henry müde. „Ich wollte nur nicht, dass sie dich auf der Stelle erschießen. Und wie heute schon eine Menge Leute festgestellt haben ... kann man mit dir eh niemanden erpressen, weil sich einfach niemand für dich interessiert." Henry legte seinen Kopf an die Wand. „Außerdem habe ich dich nicht belogen. Ich habe dir gesagt, dass mein Name Henry ist – meinen Nachnamen wolltest du nie wissen. Du wusstest, dass ich auf Levi Fitz–Beckets Seite bin, dass ich da hineingeboren wurde und dass ich in Echo lebe. Und dass meine Brüder und ich eineiige Drillinge sind – was glaubst du, wie viele eineiige Drillinge es bei den Nordpiraten gibt?"

„Was willst du damit sagen?", fauchte Anna wütend.

„Dass du da selbst hättest drauf kommen müssen, schätze ich mal", sagte er kalt. „Also gib nicht mir die Schuld." Er schnaubte. „Echt mal, zumindest Imo hätte dich stutzig machen müssen."

Anna schloss die Augen. „Wusste Nick, wer du bist?"

„Ja", sagte Henry.

„Und wusstest du davon?"

„Wovon?"

„Dass Elsa Li und Lucius Fitz–Becket planen, die Städte zu stürzen?"

Er schüttelte den Kopf. „Nein. Und nicht nur die Städte – früher oder später werden sie uns angreifen."

„Ich bin so am – das ist gar nicht gut", keuchte Anna.

Alles, wofür sie gelebt hatte, alles wofür die von ihr geliebten Menschen gekämpft hatten und gestorben waren, würde untergehen. Niemals würden es die Piratenjäger mit den Nordpiraten, den Südpiraten und Elsa Lis Flotten aufnehmen können. Jemand musste den Rat in November warnen.

Doch Li hatte Recht. Sie würden Anna nicht glauben. Die Piratenjäger würden sie exekutieren. Anna Bandowski war jetzt zu hundert Prozent schuldig. Sie war mit Henry Fitz–Becket aus Foxtrot geflohen. Unschuld sah anders aus.

Gott sei Dank fiel es Anna nicht schwer, den Schuldigen für ihre derzeitige Situation zu finden.

„Hoffentlich lassen sie dich über die Planke gehen ...", murmelte Anna und musste lachen.

„Was?", fragte Henry verwirrt.

Sie legte müde den Kopf in den Nacken. „Naja, wie in den Büchern, die Mia und ich immer bei Tante Selma gelesen haben."

Henry sah sie besorgt an. „Schlafmangel scheint dir nicht gut zu tun. Alles okay mit deinem Kopf, Bandowski?"

„Was kümmert es dich, Fitz–Becket?"

Er seufzte. „Okay, Anna. Was ändert es denn bitte?"

„Was ändert was?"

„Dass mein Vater Levi Fitz–Becket ist."

16521 Band 1: Der Pirat, der Bär und der RegenOpowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz