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Wir bekamen einen neuen Schüler aus Südamerika. Er hieß Jaime. Da ich mal wieder alleine saß, setzte dieser sich zu mir. Lust auf Gesellschaft hatte ich nicht unbedingt.

„Hey, ich bin Jaime", sagte er mit einem leicht spanischen Akzent. „Ich weiß", erwiderte ich knapp. Das hatte doch gerade vorher der Lehrer gesagt? „Wer bist du?", wollte Jaime wissen. „Helena." Wir schwiegen. Jaime hatte wohl bemerkt, dass es keinen Sinn hatte. Ich wollte einfach nicht reden.

In der Pause versuchte er es noch einmal. „Du hast einen britischen Akzent. Bist du keine Amerikanerin?", fragte Jaime. „Nein", sagte ich knapp. „Oh, das ist vergebens, mein Freund. Du willst sie gar nicht kennenlernen!" Ich drehte mich um und sah Jared wütend an. „Du halt mal schön deine Fresse, ja?", fauchte ich. Aber Jared grinste nur. Ich sah allerdings, dass dieses Grinsen seine Augen nicht erreichte.

„Kennt ihr euch?", fragte Jaime sichtlich überfordert. „Oh, wir hatten mal kurze Zeit Sex miteinander. Ficken gehört nicht zu Helenas Stärken, aber es war amüsant, zuzusehen, wie sie sich anstrengt", antwortete Jared. „Ich hasse dich so sehr, Lincoln", flüsterte ich und ging in die Cafeteria.

Warum sagte er so etwas? Konnte Jared mich nicht in Ruhe lassen? Ich musste beim nächsten Mal kontern, ich wollte ihn blamieren. Verdammt, ich hasste diesen Typen abgrundtief. Und der Gedanke, dass ein kleiner Teil in mir ihn immer noch mochte, war sehr unschön.

Ich kaufte mir ein verteuertes Redbull und setzte mich an einen leeren Tisch. Einsam und allein würde ich sterben, das war klar. „Hey Helena." Okay, vielleicht war es doch nicht so klar...

„Hey. Setz dich ruhig", sagte ich zu Jaime und brachte ein leichtes Lächeln zustande. „Dieser Lincoln scheint ein ziemlicher Idiot zu sein", meinte Jaime. Ich nickte. „Das kann man wohl so sagen." „Habt ihr mal gedatet oder so?", wollte mein Gegenüber wissen. „Mehr oder weniger. Wir standen uns ziemlich nahe, aber nie hat jemand behauptet, es könnte etwas Ernstes werden", erzählte ich.

„Und wie habt ihr dann aufgehört?", erkundigte sich Jaime. „Er hat mit 'ner anderen auf dem Schulklo rumgemacht. Aber ist ja auch egal", sagte ich schulterzuckend. „Wollte der dir  nicht erklären, wieso?" Ich sah ihn verwirrt an. „Naja, ich hab's ihm angeboten. Aber er hat behauptet, er könnte noch nicht", meinte ich.

„Du magst ihn noch, nicht wahr?", seufzte Jaime. „Nein. Ich mochte sein früheres Ich. Das, was er jetzt ist, brauche ich nicht. Ich hasse ihn", erwiderte ich. „Er vermisst dich", sagte Jaime. „Sicher nicht." „Und wie!"

Wütend starrte ich ihn an. „Du kennst ihn nicht." „Du auch nicht." War das jetzt sein Ernst?

„Hör mal, ich bin ein Junge. Ich weiß, wie wir ticken, ja? Der Typ mag dich noch und versucht das zu überspielen, indem er solche Sprüche reißt", erklärte Jaime. Zweifelnd sah ich ihn an. „Bringt mir nichts. Ich habe ihm die Chance gegeben und fertig ist es. Von mir aus soll er es erklären, wenn er bereit ist, aber bis dahin werde ich rein gar nichts machen. Ich verabscheue ihn, er wird wieder irgendwelche Lügen über mich erzählen. Wie die, dass Ficken nicht zu meinen Stärken gehört. Aber genauer werde ich dir das jetzt nicht erläutern", schmunzelte ich. „Stört mich nicht im Geringsten. Ich mache mir meistens meine eigene Meinung und höre nicht auf andere", sagte Jaime schulterzuckend.

Nach ein paar stillen Augenblicken stieß Kathy zu uns. „Helena, Jared ist ein Bastard, oh Gott", sagte sie sofort. „Was hat er gemacht?", wollte ich wissen. „Er ist mit Ashley zusammen. Ich weiß nicht viel über sie, aber sie haben fast schon rumgemacht hier in der Cafeteria", erzählte Kathy atemlos. „Oh, Ashley", murmelte ich hilflos.

„Kann ich mich zu euch setzen, oder ist das ein Problem?", fragte sie an Jaime gewandt. „Nein, sehe gerne. Ich bin Jaime." „Kathy, freut mich sehr." Die beiden lächelten sich für meinen Geschmack ein bisschen zu lange an. Ihh, vielleicht hatten sie sich verliebt. Das war ja grausam. Aber Kathy und Jaime wirkten beide sehr sympathisch, also wieso nicht?

Jetzt redeten die beiden angeregt miteinander und ich hatte Zeit, um nachzudenken. Jared war also mit Ashley zusammen? Aber wieso tat er das? Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er auf einmal Gefühle für sie hatte. Außerdem wusste Jared genau, was Ashley für ihn fühlte, und das war echt scheiße von ihm, ihr so eine Hoffnung zu machen. In einer Woche war es sicher vorbei mit denen, darauf konnte ich wetten. Und dann würde Ashley am Boden zerstört sein, vielleicht kam sie wieder zu mir angerannt, um sich zu entschuldigen. All das, da war ich nur ziemlich sicher, würde eintreffen.

„Helena, wie gut, dass ich dich gefunden habe!" Verwundert sah ich auf. Vor mir stand Traicy und blickte mich völlig aufgelöst an. „Ashley und Jared sind ein Paar! Er verarscht sie! Du musst mir helfen, bitte", flehte sie. Verwundert sah ich sie an, dann fing ich an zu lachen. „Oh Traicy, du bist ein kleines, naives Dümmerchen. Wieso sollte ich ausgerechnet euch helfen?", fragte ich. „Helena, bitte. Du bist meine letzte Hoffnung", sagte Traicy kopfschüttelnd.

„Ich sag dir jetzt mal was, Schätzchen. In den letzten Jahren war ich komplett auf mich allein gestellt, ja? Ich war meine einzige Hoffnung. Du musst lernen, alleine klarzukommen und damit, dass Ashley ihr eigenes Leben lebt. Lass sie spüren, wie weh Liebe tun kann, und sie wird nicht mehr so naiv sein. Und jetzt beweg' deinen flachen Arsch weg von hier, ich würde gerne mein Redbull trinken, ohne belästigt zu werden. Danke."

...
Hab meinen Benutzernamen geändert.
nightlytears → todesverliebte
🤍🤍

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