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Für meine Eltern hatte ich einige Gutscheine gekauft, unter anderem auch für ein Wellness-Hotel, Kathy würde ein tolles Buch und süße Socken von mir bekommen. Außerdem hatte ich ihr eine kleine Tasche von Victoria Secrets gekauft, in der sich ein hübscher Bikini befand. Vielleicht nicht ganz passend im Winter, aber so wuchs die Vorfreude auf den Sommer. Lilith würde von mir ebenfalls ein Buch, sowie eine schöne Lichterkette für ihr Zimmer erhalten. Ich war mir sicher, es würde ihnen gefallen.

Am Weihnachtsmorgen stand ich motiviert auf, bereit, meinen Liebsten eine Freude zu machen. So zog ich mir schnell etwas Warmes an und lief runter in die Küche, um meinen Eltern Frühstück vorzubereiten. Ich deckte den Tisch für uns drei ein und begann mit den Spiegeleiern. Dazu würde es natürlich Speck geben. Den Kaffee machte ich ihnen auch schon, dann ging ich wieder nach oben, um sie zu wecken.

Während sie sich anzogen, telefonierte ich noch einmal mit Kathy. Ich wollte, dass alles perfekt wurde. Am späten Vormittag würde ich zu den Lincolns fahren und Lilith, sowie Kathy, abholen. Gemeinsam würden wir dann eislaufen gehen, zwischendurch was essen und uns einen schönen Abend vor dem Kamin machen, Tee trinken und lesen. Ich hoffte, dass es Lilith gefallen würde. Jared würde alleine mit seiner Mutter sein, aber das sollte eigentlich kein Problem sein, behauptete Kathy.

Nach dem Frühstück überreichte ich meinen Eltern ihr Geschenk. „Helena, hast du echt so viel Geld für uns ausgegeben?", fragte meine Mutter erstaunt. Eigentlich war es ja aus ihrem Geld, welches sie mir monatlich gaben. „Ich hoffe, es gefällt euch", erwiderte ich lächelnd. „Und wie! Hast du für heute schon etwas geplant? Dein Vater und ich würden die Gutscheine heute schon einlösen", meinte Mum. „Ja, hab' ich, ich fahre kurz vor Mittag zu den Lincolns und hole die Mädchen ab. Mit denen gehe ich dann Eislaufen und nehme sie später noch nach Hause", erzählte ich. „Wir haben Diana und Jared auch für heute eingeladen, hoffentlich ist das kein Problem. Aber ich wollte einfach nicht, dass die beiden alleine feiern", sagte mein Mutter ein wenig besorgt.

Ich zögerte. Jared würde heute zu uns kommen? In den letzten Wochen waren wir uns, so gut es ging, aus dem Weg gegangen. Aber ich spürte, dass ich nicht mehr wütend auf ihn war. Klar war das Ganze noch nicht vergessen, aber das kam noch nach der Zeit. Wenn er mich zu irgendetwas einladen würde, lautete meine Antwort definitiv nicht Nein.

Meine Gefühle für Jared waren nach wie vor vorhanden und diese Mauer, die mich vor ihm schützte, wurde überflüssig. Ich war bereit, ihm wieder zu vertrauen und das Ganze wieder langsam anzugehen. Unter einer Bedingung: Er musste den ersten Schritt machen.

Von meinen Eltern bekam ich zwei Flugtickets für Februar nach Paris geschenkt, ich konnte dorthin eine Person meiner Wahl mitnehmen. Aber bis dahin war noch genug Zeit, ich musste mich jetzt noch nicht entscheiden - zum Glück.

Meine Eltern waren schon zum Wellnessbad gefahren, wo sie ihren Tag verbringen würden. Schließlich wurde es auch für mich Zeit, loszufahren. Ein wenig nervös war ich schon, da ich ziemlich stark davon ausging, auf Jared zu treffen. Wie denn auch nicht, er lebte in diesem Haus, zu welchem ich gerade fuhr.

Ich klingelte an der Tür und hatte ein seltsames Gefühl in meinem Bauch. Jared war derjenige, der öffnete.

„Helena?", fragte er überrascht. „Ich wollte Kathy und Lilith holen", sagte ich knapp. „Ich hol sie dir gleich, warte-" „Jared?", ertönte eine Frauenstimme, die nicht zu Kathy oder Diana gehörte. Vor mir erschien ein Mädchen in unserem Alter, mit blonden, langen Haaren und einem perfekt geschminkten Gesicht. „Wer ist denn das?", fragte sie und sah mich abwertend an. „Die Frage ist, wer du bist", entgegnete ich. „Jareds Freundin, Mausi", lächelte das Mädchen und legte ihre Hand als Beweis in Jareds. „Freut mich", erwiderte ich und versuchte, es mir nicht ansehen zu lassen, dass es mich doch mehr traf als es sollte.

„Helena!" Lilith rannte in meine Arme. „Ich hasse Kinder", schnaubte die Freundin von Jared. Dieser sagte absolut nichts dazu, sondern sah mich stumm an. Es war ein undefinierbarer Blick. „Du solltest dein Maul halten, Carina." Kathy war aufgetaucht und sah das Mädchen hasserfüllt an. Jared war das vollkommen egal.

„Helena, wir gehen jetzt", sagte Kathy knapp und ging schon mit Lilith zum Auto. Ich blieb noch kurz stehen und sah Jared an. Carina war wieder ins Haus stolziert. „Was soll das?", fragte ich ihn. „Ich liebe sie und sie liebt mich", argumentierte Jared lahm. „Das tust du nicht, ich seh das doch! Du bist total abwesend, außerdem hassen deine Schwestern sie. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand wie du einen ekelhaften Menschen wie Carina liebt", sagte ich leise.

„Jemand wie ich?", wiederholte Jared mit hochgezogenen Augenbrauen. „Auch, wenn man es nicht oft mitbekommt, du hast dein Herz an der richtigen Stelle. Ich bin mir sicher, dass du diese... Kreatur nicht liebst. Ernsthaft, ihr Charakter ist zum Kotzen. Wie auch immer, frohe Weihnachten wünsche ich dir", seufzte ich und ging zu Kathy und Lilith ins Auto.

Das „Es tut mir leid" von Jared hatte ich nicht überhört.

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