20. Juli 1996

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Magic blooms only in rare souls. - Gellert Grindelwald

20. Juli 1996

Kein Muggel! Puh, bin ich erleichtert! Inzwischen bin ich schon in der Grundschule und magisch fast auf demselben Stand wie vor meinem Tod. Nun ja, zumindest was nonverbale Magie angeht. Obwohl es mich innerlich extrem aufregt, kann ich noch nicht mit einem Zauberstab zaubern, denn es ist schlauer, das Ministerium vorerst nicht zu alarmieren. Nonverbale Magie hingegen wird für Vorschulkinder als unbeabsichtigte Magie geduldet.

Auf dem Schulhof versteckt, schwinge ich einen Stock, als wäre es ein Schwert. All die langen Jahre des Wartens habe ich damit verbracht, meine Kampfkunst zu perfektionieren. Größtenteils im nicht-magischen Bereich, doch immerhin habe ich schon fast ein halbes Dutzend Muggelkampfarten gemeistert. Mit dem Stock ziele ich auf meine Gegnerin, eine Kastanie, die ich auf einem Stock platziert habe. Ohne dass ich sie berühre, fällt sie, von meinem gut gezielten Zauber getroffen, runter.

Ich gähne vor anhaltender Langeweile. Einen ernsthaften Gegner vermissend, ziele ich als nächstes auf meine Mitschüler. Ohne dass ich sie berühre, fällt ein Muggelkind nach dem anderen wie ein Dominostein zu Boden, während ich in schneller, athletischer Abfolge meine Kampfschritte sowie Distanzmagie übe. Klar ist es ehrlos, gegen wehrlose Kinder zu kämpfen, doch ich habe keinen besseren Gegner und außerdem sind es ja Gleichaltrige! Naja mehr oder weniger.

Hoffentlich gibt es in Hogwarts einen guten Verteidigungslehrer, dessen Unterricht selbst für mich eine Herausforderung ist. Professor Merrythought war damals zu meiner eigentlichen Schulzeit ganz okay, doch verglichen mit Gellert war sie als Hexe ein Witz.

Es klingelt und ich begebe mich wieder ins Klassenzimmer, wo ich mich in der letzten Reihe in einen Sitz fallen lasse und meine Füße auf dem Tisch hochlege. Gemütlich packe ich die letzte Version des Tagespropheten, die ich mir bei meinem letzten illegalen Besuch in der Winkelgasse stibitzt habe, aus und überfliege die Schlagzeilen.

„Scrimgeour als Nachfolge für Fudge"

„Harry Potter: Der Auserwählte?"

„Sie-Wissen-Schon-Wer rekrutiert junge Zauberer – lassen sie sich nicht täuschen!"

„Steigende Angriffe auf Muggel – Todesser als Täter vermutet"

Frustriert zerknülle ich die Blätter. Der Tagesprophet ist ja noch unnützer geworden als in meinem früheren Leben. Sie-wissen-schon-wer – tja, ich habe keine Ahnung wer! Und nirgendwo auch nur ein Wort über Gellert. Es ist fast so, als wäre er ein abgeschlossenes Kapitel der Geschichte. Aber das kann doch nicht sein, oder?

„Grey, kannst du uns diese einfache Division an der Tafel vorrechnen?", reißt mich die gereizte Stimme meines Lehrers aus den Gedanken.

Ich fahre zusammen und stecke die Zeitung schnell in meine Tasche. „Fünfzehn", erwidere ich mit einem knappen Blick auf die Rechnung.

Für den Bruchteil einer Sekunde sieht der Schwarzhaarige überrascht aus. Dann schüttelt er den Kopf, als wolle er seine Gedanken ordnen und sagt: „Richtig. Es wäre schön, wenn du deine Füße vom Tisch nehmen und dich demnächst häufiger einbringen würdest. Du solltest zumindest versuchen deine vielen Fehltage auszugleichen."

Ich zucke als Antwort bloß missmutig mit den Achseln. Warum bin ich heute überhaupt gekommen, während ich eigentlich Nachforschungen über die verpassten Jahre anstellen sollte? Unter dem ungeduldigen Blick meines Lehrers und den erstaunten Gesichtern der Kinder stehe ich auf und werfe mir meine Tasche über die Schulter.

„Grey, setz dich wieder hin", sagt der Lehrer mit erzwungener Ruhe. „In wenigen Wochen kommst du schon auf die Mittelschule, dort wird ein solches Benehmen nicht toleriert."

Gellerts VictoriaWhere stories live. Discover now