1. Mai 1998 (Teil 1)

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Wenn wir uns gestatten, uns von Wut verzehren zu lassen, leiden nur wir selbst darunter. - Gellert Grindelwald

1. Mai 1998

„Grey? Willst du heute Abend mal mit deiner Familie raus? Wir könnten in den Zoo gehen, dort soll es gigantische Schlangen geben, die selbst ein Auto zerquetschen können", erzählt meine Mutter mit versuchter Gelassenheit, doch ihre Stimme klingt heiser und brüchig.

„Nein, Mutter", nuschel ich in meine Kissen. Ich merke den Gestank nach Schweiß und stickiger Luft kaum, der aus dem Stoff in meine Nase dringt.

„Lass mich zumindest die Fenster öffnen, du könntest etwas Sonnenlicht und frische Luft vertragen."

„Bitte nicht."

Das Bett wölbt sich unter meinem Körper, als sich die junge Frau neben mir niederlässt. Kurz darauf spüre ich ihre warme Hand auf meiner Stirn. „Was ist bloß mit dir los, Liebling? Seitdem du von dieser Schule zurück bist, benimmst du dich so seltsam. Du liegst nur noch im Bett, hast all deine Zeichnungen von den Wänden gerissen und interessierst dich für absolut nichts mehr."

Ich schiebe ihre Finger von meiner Stirn und drücke die Handballen gegen meinen dröhnenden Kopf. Ein Zucken geht durch meinen Körper. Ich spanne meine verkrampften Muskeln an und versuche, meine zittrige Atmung unter Kontrolle zu bringen.

„I-ich muss los", presse ich hervor und drücke mich in eine sitzende Position. Das dämmrige Sonnenlicht, das durch die Seiten der schwarzen Vorhänge dringt, brennt mir unangenehm in den Augen.

„Nein." Verzweiflung ist deutlich aus dem darauf folgenden Seufzen meiner Mutter zu hören, als sie mich entschieden zurück auf das Bett drückt. „Ich will nicht, dass du dir erneut illegale Substanzen zulegst."

„Ich will bloß ins Dōjō", murmle ich gepresst und unterdrücke ein erneutes Zucken meines Körpers. Alles, was den schrecklichen Schmerz aus meiner Brust verdrängen kann, ist mir in diesem Moment recht, sei es auch nur für Sekunden.

„Grey, das letzte Mal, als du Kämpfen warst, bist du durch die Überanstrengung ohnmächtig geworden. Du musst dich zuerst erholen und etwas essen."

Ich seufze und starre gegen den umgedrehten Spiegel, der über der kleinen Kommode an der gegenüberliegenden Wand lehnt. Irgendwann habe ich den Anblick meiner toten Augen und hageren Wangen nicht mehr ertragen können. Wie schön wäre es, den inneren Kampf aufzugeben und in ewiger Dunkelheit zu versinken...

„Ich mache die Fenster jetzt auf, Grey", sagt meine Mutter.

Ich rühre mich nicht. Für eine Antwort reicht meine Kraft nicht aus. Das letzte Abendlicht flutet grell mein dunkles Zimmer, als sie den schweren Vorhang zur Seite schiebt. Ich schnappe keuchend nach Luft und drücke meine Beine fest gegen meine Brust. Es ist, als würde ich ersticken und der Schmerz mich von innen verbrennen.

„Grey", murmelt die junge Frau gequält. „Ich hasse es, dich so leiden zu sehen."

Ich blinzle unter meinen schweren Augenlidern hervor, sehe an dem trüben Blick meiner Mutter vorbei und stocke. Meine neueste und einzig verbliebene Zeichnung sticht mir ins Auge und ein brennender Schmerz durchwühlt die Scherben meines Herzens. Anders als auf meinen alten Bildern ist Gellerts Gesicht mir abgewandt. Zusammengekauert hockt er neben dem leblosen Körper seines einstigen Freundes. Eine einzige Träne glitzert auf seiner eingefallenen Wange, als sein Zeigefinger zärtlich über die Augen von Albus Dumbledore streicht.

Ich vergrabe mein Gesicht wieder in meinen Kissen, doch es vertreibt das Bild nicht aus dem Vordergrund meiner Gedanken. Dieser Moment des Verrats ist wie in meinem Gedächtnis eingebrannt. Ich habe ihn aufgezeichnet und mir vor das Bett geklebt, um niemals zu vergessen, wessen Seite Gellert Grindelwald im entscheidenden Moment gewählt hat.

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