16. Februar 1997 (Teil 1)

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The only thing worse than being blind is having sight but no vision. - Helen Keller

16. Februar 1997

Mit schnellen Bewegungen husche ich durch den Regenwald und wirbele mein Schwert mit perfekter Kendo Technik um mich. Meine Gegner umkreisen mich, sie sind überall. Es sind viel mehr, als ich zählen kann. Doch sie haben keine Chance gegen mich, das Mädchen, welches mit drei Jahren mit dem Kämpfen begonnen hat und schon mit fünf in mindestens vier Kampfsportarten eine Meisterin war. Sie haben keine Chance gegen die Kriegerin, die mit dem Schwert ebenso fortgeschritten umgehen kann wie mit dem Zauberstab. Niemand hat eine Chance gegen Victoria Collins alias Grey Gant.

Für jede leere Rüstung, die ich verstümmele, erscheinen zwei neue und jede neue ist mächtiger als die alte. Ich atme die schwüle Luft ein, während ich mich unermüdlich fortbewege. Das hier, mitten im Kampf, ist mein Element. Ich hatte beinahe vergessen, wie fantastisch der Raum der Wünsche sein kann!

Aus den Augenwinkeln nehme ich eine Bewegung im Gebüsch wahr. Da hat wohl einer vor, mich von hinten unerwartet anzugreifen. Keine Chance, Freundchen!

Ich drehe mich seitlich und halte meinem neuen Gegner mein Schwert bereit, während ich den anderen Angriffen ausweiche und nebenbei geübt Schläge und Tritte verpasse.

Wie vermutet, ist mein neuer Gegner keine leere Rüstung wie die anderen. Welche Überraschung hat mein Lieblingsraum in Hogwarts nun für mich bereitgehalten?

Das Wesen sieht auf wundersam gruselige Art und Weise real aus. Es ist so blass, dass es beinahe weiß wirkt. Der Körper ist schlank und hochgewachsen und das Gesicht schlangenartig. Seine eiskalten, roten Augen nehmen mich auf eine Art und Weise ins Visier, dass mir die Beine weich werden. Als es einen eleganten, dünnen Zauberstab auf mich richtet, wird mir klar, dass dieses Wesen nicht vom Raum der Wünsche geschaffen wurde. Eher ist es eine Schöpfung der personifizierten Bosheit selbst.

„Collins", spricht es mich an. Die Stimme ist hoch und zischend, beinahe, als hätte das Wesen einen Akzent aus dem Parsel, der Sprache der Schlangen. Ob es wohl so etwas wie ein Schlangen-Mensch Mischwesen gibt?

Vorsichtig versuche ich das Wesen mit meinem Schwert anzutippen. Das Schwert sinkt hindurch, als wäre absolut nichts da.

„Eine Illusion", hauche ich, „Wer bist du?"

„Das weißt du nicht?" In der kalten Stimme liegt ein drohender Unterton und die roten Augen, die das Blinzeln nicht für nötig halten, sind mit gruseliger Entschlossenheit an die meinen geheftet. „Wir hatten eine Verabredung." Die roten Augen bohren sich drohend in die meinen und ich brauche meine gesamte Konzentration, um ihn von meinen Gedanken fernzuhalten. „Es wird noch Konsequenzen haben, dass du nicht erschienen bist, Collins", droht es.

Ein Schauer jagt mir den Rücken hinunter, doch ich spreche mit fester Stimme. „Voldemort"

„Keiner sagt meinen Namen", zischt das Wesen.

Ich hebe eine trotzige Augenbraue. „Das habe ich wohl gemerkt. Warum nicht?"

Das Wesen, genauer gesagt der dunkle Lord, geht nicht auf meine Frage ein. „Ich habe deine Erinnerungen gesehen. Du warst eine würdige Hexe reines Blutes."

Ich nicke stolz.

„Deswegen habe ich ein einmaliges Angebot für dich. " Voldemort sieht mich so herablassend an, als wäre ich ein schmutziger, kleiner Wurm, den man nur am Leben lässt, weil er als Lockmittel für einen guten Fang dienen soll. „Entweder du und dein Geliebter schließt euch mir an und kämpft für unsere identischen Ziele..."

Hm, die Todesser sind zwar eine Bande Wahnsinniger, aber sie kämpfen für das Recht der Reinblüter, eine Sache, die ich vollständig unterstütze. Denn selbst wenn ich körperlich nicht mehr rein bin, stammen mein Geist und meine Magie immer noch von den ältesten Zaubererfamilien ab. Allerdings sind unsere Ziele keineswegs identisch. Vor fünfzig Jahren haben Gellert und ich für die Freiheit der Magischen gekämpft, während Voldemort das Geheimhaltungsgesetz nicht weiter zu kümmern scheint. Doch letztendlich zählt sowieso nur die Macht.

„Oder?", frage ich und erwidere seinen Blick so überheblich, wie ich nur kann.

„Oder ihr sterbt." Der dunkle Lord legt den Kopf schief, als überlege er sich genüsslich, was er zum Nachtisch haben will. „Was würdest du von der Idee halten, wenn ich erst dich verfluche, damit du deinen alten Geliebten umbringst, nur um ihm danach aus Kummer zu folgen? Ist es nicht das, was ihr Sterblichen unter einer gelungene Romanze versteht?"

Wahrscheinlich erwartet er, ich würde mich vor ihn niederknien und vor Angst zittern. Stattdessen schenke ich ihm ein Lächeln und eine wahrhaft lebensmüde Antwort. "Ich denke, Sie müssen noch ein wenig an Ihren Überzeugungskünsten arbeiten, dunkler Lord."

Ich lächle, als ich den Schock und die Wut in Voldemorts Gesicht sehe. Tja, der scheint wirklich nicht an Trotz gewöhnt zu sein. Zum Glück ist er nur eine Illusion, denn ich kann nicht einschätzen, wie meine Chancen gegen ihn im Duell wären.

„Zu Ihrem Glück möchte ich weiter für das größere Wohl kämpfen", flüstere ich, von Schuldgefühlen geplagt. „Ich werde mich den Todessern anschließen." Bloß der Name. Igitt!

Ein kaum merkliches Nicken von Voldemort signalisiert mir seine Zufriedenheit. „Ich erwarte Sie und Grindelwald heute um Mitternacht zu Ihrer ersten Todesserversammlung. Sein Sie diesmal anwesend und zwar pünktlich. Lord Voldemort duldet keinen Ungehorsam."

Damit löst er sich in Luft auf.

"Kein Grund, über sich selbst in der dritten Person zu reden!", rufe ich ihm nach.

Dieser dunkle Lord ist viel zu verrückt und überdramatisch und wenn das von mir kommt, soll das schon was heißen. Draco hat sogar mal erwähnt, dass er seine eigenen Leute foltert, wenn er wütend ist. Ein bisschen wie ein wildes Tier, das seine Emotionen nicht unter Kontrolle hat. Und das, obwohl er ein Occlumens ist.

Naja, ich muss auf jeden Fall aufpassen, dass Voldemort nicht wieder Eintritt zu meinem Kopf erhält. Ab jetzt muss ich die ganze Zeit auf der Hut sein.

Mit einem Stöhnen schließe ich die Augen und wünsche mir eine romantische Strandumgebung herbei. Durch einen schnellen Blick auf meine Armbanduhr stelle ich fest, dass Gellert in etwa einer Stunde kommen müsste.

Ich blicke in den Horizont und seufze erneut. Es führt nichts daran vorbei, meinen Geliebten in meine Entscheidung einzuweihen, doch mein Magen verkrampft sich in Angst vor seiner Reaktion. Noch nie zuvor habe ich eine solch wichtige Entscheidung ohne Gellert getroffen. Hoffentlich wird er mich verstehen und meinem Plan zustimmen.

Doch trotz allem kann ich es kaum erwarten, endlich wieder mit einem Ziel vor Augen zu kämpfen.

Gellerts VictoriaWhere stories live. Discover now