31. März 1997 (Teil 1)

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Das Leben schenkt dir keine Zitronen. Es sendet dir Idioten, Häppchen- oder Rudelweise. Aber keine Zitronen. Die hätten wenigstens Vitamine.

31. März 1997

„AHHH!" Ich reiße meine Augen auf. Um mich herum bewegen sich schwarze Schatten in der Dunkelheit. Vorsichtshalber zücke ich meinen Zauberstab und versuche einen Gegner auszumachen.

„Sei doch still, ich will schlafen!", beklagt sich eine helle Stimme.

„Grey? Ist alles gut? Was ist los?", fragt eine andere besorgt.

Ich liege verschwitzt und zitternd im Bett. „Ich habe bloß Albträume von euch Gryffindors", murre ich, unterdrücke den Impuls, diese nervigen Kinder zum Weinen zu bringen und lege meinen Zauberstab mit einem erleichterten Aufatmen zurück auf mein Nachtschränkchen.

Diese leeren Augen, die mich anstarrten und all das Blut - es ist alles meine Schuld! Ich habe sie ermordet und so viele unschuldige Familien auseinandergerissen... Ach, was denke ich da. Es waren doch bloß dreckige Muggel und außerdem ist es ein halbes Jahrhundert her!

Doch im Schlaf habe ich ihre Gesichter gesehen. Jedes einzelne. Sie hatten die Gesichter meiner Familie. Jener Muggel Familie, die ich nie als die meine anerkannt habe, die mich aber dennoch geliebt hat.

Bloß ein dummer Albtraum!

Mein Atem beruhigt sich, als ich daran denke, dass Gellert genau in diesem Moment im selben Gebäude ist wie ich. Wie gerne würde ich wie ein kleines Kind zu ihm rennen, nur um ihn voll höhnender Verachtung sagen zu hören, dass Albträume schwach machen und ich Okklumentik anwenden soll. Tief in meinem Inneren spüre ich einen stechenden Schmerz, als ich realisiere, dass der neue Gellert nicht so reagieren würde. Ob er dieselben Albträume hat, wie ich? Sind sie es, die seine sinnlose Reue heraufbeschwören?

Ich setze mich in meinem Bett auf, fasse erneut nach meinem Zauberstab und drehe das dünne Eibenholz nachdenklich in meinen Fingern. Sicher hinter den roten Vorhängen verborgen, hebe ich meinen Zauberstab langsam auf meine Augenhöhe. Wie um ein Statement zu setzen, führe ich ihn weiter an meine Stirn und drücke ihn fest gegen meine Haut. Als ich ihn langsam wieder entferne, hängen meine schlechten Gedanken wie silbrige Fäden an dem Holz. Meine Mundwinkel heben sich zu einem kleinen Lächeln, das meine Augen nicht erreicht, und ich puste die silbrige Substanz, die weder fest noch flüssig zu sein scheint, zusammen mit jeglicher Reue und Schwäche weit von mir.

„Für das größere Wohl!", murmle ich hinter vorgehaltener Hand und schaue nachdenklich in das schummrige orange-goldene Licht der langsam aufgehenden Sonne.

„Grey, weißt du zufällig, wo Miri ist?", reißt mich eins der Mädchen aus den Gedanken.

„Wer ist das überhaupt?", gebe ich desinteressiert zur Antwort, während ich aufstehe und mir meinen Schulumhang überziehe.

„Gre-ey", murrt Lisa ungläubig, „du kennst sie schon seit über 'nem halben Jahr."

„Nenn mir einen Grund, weshalb ich mir die Mühe machen sollte, mir die Namen ekliger Schlammblüter und Blutsverräter zu merken", zicke ich hochnäsig und sehe zu meinem Vergnügen, wie sich Tränen in den Augen des jungen Mädchens sammeln.

„Grey, du bist meine beste Freundin und außerdem eine Gryffindor", erwidert sie mit schriller Stimme, „du gehörst zu uns, also rede nicht so."

„Deine beste Freundin? Du willst doch eh nur mit mir rumhängen, weil ich cool bin und als einzige in diesem behinderten Haus was drauf hab", zische ich und mache einen wütenden Schritt auf die Blondine zu.

Drei Zauberstäbe richten sich auf mich. „Zu deiner Info, du Narzisst, auch wir hatten Unterricht bei Professor Unruh", droht eines der Mädchen.

Ich lache schrill auf. „Auch der beste Lehrer kann nur demjenigen etwas beibringen, der ein Hirn besitzt." Nun muss ich schmunzeln. "Aber wenn ihr wollt, können wir gerne austesten, wen Professor Unruh besser ausgebildet hat!"

Gellerts VictoriaWhere stories live. Discover now