ACHTUNDZWANZIG

112 4 0
                                    


Jeongguk

Taehyung war der erste, der etwas sagte, seitdem wir von Baekhyuns Elternhaus losgefahren waren. Ich lief in die Küche der WG, ließ Taehyung im Flur stehen. Es dauerte nicht lange, bis er zu mir kam und das sagte, was ich schon befürchtet hatte. »Bist du sauer auf mich?« Ich sah ihn nicht an — das konnte ich nicht. Ich kniff die Augen zu und stützte mich mit den Händen an der Spüle ab. »Du hast nicht ein Wort gesagt. Die ganze Fahrt über.« Was hätte ich schon sagen sollen? Dass das hier beschissen war? Ich glaube, das war jedem mehr als nur bewusst — jedem außer Taehyung. Ich hörte seine leisen Schritte hinter mir, ehe er dicht neben mir stehenblieb und schwach an meinem Pullover zog. Er sollte sich lieber hinsetzen. »Jeongguk, es tut mir leid. Ich wollte nicht, dass er so ausflippt.«, kam es kleinlaut von dem Jüngeren. Es war gelogen.

Ich atmete einmal tief ein und aus, schaffte es dann, mich zu ihm umzudrehen. Sofort kam er noch einen halben Schritt näher, ich legte meine Hand an seine Wange und gab ihm einen festen Kuss auf die Lippen. Er legte seine Hände um meinen Hals und vertiefte den Kuss. Ich ließ ihn, hielt an seiner Taille und konzentrierte mich einen Moment nur auf Taehyung. Ich wollte es ja wie er machen — das wollte ich wirklich —, doch da war einfach etwas in mir, das das hier nicht einfach so stehenlassen wollte. Nicht konnte. Mir war klar, dass Taehyung darüber nicht reden wollte, doch es ging nicht anders. Also löste ich mich schweren Herzens von den weichen Lippen und brachte etwas Abstand zwischen uns, was ihm sichtlich nicht gefiel. Doch, wie ich Tae kannte, fühlte er sich unsicher und lies mich direkt los, also ergriff ich eine seiner Hände und hielt sie nur.

»Ich bin nicht sauer.«, sagte ich noch ruhig, doch ich merkte, wie mir tatsächlich etwas Wut in die Adern kroch, nachdem ich die Worte ausgesprochen hatte. Es war meine Verzweiflung, die sich langsam aber sicher in Wut verwandelte — weil das hier alles aussichtslos schien. Ich war wütend auf alles — wütend auf mich, wütend auf Sehun und wütend auf das Glück, das wir nicht hatten. Aber um Gotten Willen doch nicht wütend auf Taehyung. »Ich bin verdammt nochmal verletzt!« Meine Stimme war lauter und ich lies Taehyungs Hand los, um in der Küche auf und ablaufen zu können. »Das war die Hölle für mich — dich nochmal so zu sehen.« Ich deutete aufgebracht ins Nirgendwo und wandte den Blick sofort ab. Man konnte dem Schwarzhaarigen noch immer ansehen, was vor über einer halben Stunde passiert war. Die Haut um sein Auge begann sich bläulich zu verfärben und an seinen Nasenflügeln klebte etwas getrocknetes Blut. Ich wollte gar nicht wissen, wie es unter seiner Kleidung aussah — weil ich es ganz genau kannte.

Ihn so zu sehen erinnerte mich unweigerlich an die Nacht im Sunrise, als wir das erste Mal aufeinandertrafen. Es erinnerte mich daran, was ihm passiert war und wie ich mich sofort in ihn verliebt hatte. Es war verrückt. Dieser verfluchte Tag hatte mein Leben im Nachhinein so viel besser gemacht — dass ich Tae nun an meiner Seite hatte. Und ihn jetzt nochmal so zu sehen, machte mich fertig. Es brachte mich um. Ich hätte verhindern sollen, dass dieser Bastard auch nur in seine Nähe kam, aber ich war nicht da. Er machte das ganz allein durch, wie immer. Und ich hatte geglaubt, Taehyungs Einstellungen hatten sich auch nur ein kleines bisschen gebessert, seitdem wir zusammen waren — doch so war es offensichtlich nicht.

Der Jüngere schüttelte beschwichtigend den Kopf. »Das ist halb so schlimm, ehrlich.«, sagte er und zuckte mit den Schultern. Er spielte es herunter. Ich war fassungslos, obwohl es mir hätte klar sein sollen. Zum Glück sparte er sich aus, mir zu sagen, dass er das kannte. Dass er von Sehun nichts anderes gewohnt war. Dass er nichts anderes wollte. »Fuck, das ist es nicht, Tae.«, meinte ich harsch und schlug einmal mit der flachen Hand auf den Tresen. »Du musst damit aufhören.« Meine Stimme war scharf und ich sah den Schwarzhaarigen vor mir direkt an. Er machte ein paar Schritte auf mich zu und das machte mich nur noch verrückter. Ich wollte ihm nicht ausweichen — ich wollte ihn in den Arm nehmen und durch seine Haare streichen — , doch ich wich einen Schritt zurück. Er sollte sehen, dass das hier auf keinen Fall so laufen würde, wie er es sich wünschte. Einfach alles hinnehmen, wie es kam.

BEING WITH HIM, kookvWhere stories live. Discover now