NEUNUNDZWANZIG (epilog)

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Jeongguk

Wir stiegen ins Auto ein, allerdings fuhr ich noch nicht gleich los. Mein Kopf schoss sofort aufgeregt zur Seite und ich sah Taehyung erwartungsvoll an. Der Schwarzhaarige verstand sofort, was ich von ihm wollte und zuckte mit den Schultern. »Sie sind nett.«, meinte er schlicht und grinste mich an. »Oh Gott, du hasst sie.«, jammerte ich spielerisch und vergrub mein Gesicht in meinen Händen. »Nein, Jeongguk, ehrlich.« Er kicherte neben mir und versuchte, mein Gesicht zu befreien. »Sie sind wirklich sehr nett. Ich mag sie. Und ich bin Dowoon wirklich dankbar.«, versicherte er mir, was mich direkt aufatmen ließ. Ich nahm seine Hand in meine und drückte einen kurzen Kuss auf seine Knöchel. »Das freut mich. Sungjin wirkt manchmal etwas steif, aber er ist wirklich der beste!«, schwärmte ich und steckte den Schlüssel in die Zündung. Ich hatte noch immer kein eigenes Auto, aber eigentlich reichte uns allen auch Yoongis weißer Hyundai.

Automatisch drückte ich auf den Knopf, der die Heizung für den Beifahrersitz einschaltete und konzentrierte mich dann auf die Straße. »Wann war jetzt nochmal dieser Kurs?«, kam es nachdenklich von dem Jüngeren neben mir. »Nächste Woche Mittwoch. Dowoon meinte, es gibt für jeden einen PC, aber nimm vorsichtshalber einfach meinen Laptop mit.«, sagte ich ihm. »Brauchst du ihn nicht?«, fragte er skeptisch nach. Ich winkte ab. »Nein, da hab ich nicht lange Uni. Die paar Kurse schreib ich mit der Hand mit.«, erklärte ich. Er wirkte natürlich nicht sehr umberzeugt. »Sicher?«, fragte er nochmal nach. Kurz sah ich zu ihm herüber und warf ihm einen vielsagenden Blick zu. »Danke, Guk.«, gab er sich dann geschlagen. Ich nickte nur und bog bei der nächsten Kreuzung rechts ab. 

Ich war schon etwas länger nicht mehr hier gewesen. Seitdem ich in Seoul wohnte, hatte ich meinen Bruder nur drei Mal besucht — heute war das vierte. Seine WG war etwas außerhalb, weil Sungjin nunmal ein echter Sparfuchs war. Er nahm lieber einen langen Weg mit der Bahn ins Stadtzentrum auf sich, als ein paar Won mehr Miete zu bezahlen. Er ging auf eine andere Uni — studierte Management und war schon im vorletzten Semester. Davor hatte er vier Jahre bei einem großen Konzern gearbeitet, daher kannte er auch Dowoon. Dessen Vater war ein hohes Tier in der Firma, weshalb ich ihn darum gebeten hatte, Taehyung einen Job zu besorgen. Einer, der besser bezahlt war, als alles, was er bis jetzt gemacht hatte. Erst hatte Dowoon gemeint, es würde nicht klappen — Taehyung hatte keinen Schulabschluss, keine Qualifikationen und war grade erst neunzehn Jahre alt geworden. 

Aber heute hatten wir die beiden besucht, weil Dowoon es doch noch geschafft hatte, etwas für Taehyung einzufädeln. Es war ein Schreibtischjob. Er musste Finanzen auswerten und Rechnungen begleichen, doch die Bezahlung war gut und es war alles andere als stressig. Nur nächste Woche gab es diesen Buchhaltungs-Kurs, zu dem er gehen sollte, nachdem Taehyung nicht wirklich viel Ahnung von solchen Dingen hatte. Die Woche drauf könnte er sofort anfangen. Ich war froh, dass das so gut geklappt hatte. Außerdem war ich nervös gewesen, was Sungjin von Taehyung halten würde. Ich hatte davor schon mit dem Älteren telefoniert und ihm erzählt, dass ich jetzt einen festen Freund hatte — doch im gleichen Moment bat ich ihn um den Job-Gefallen. Aber das Kennenlernen heute lief fast schon zu perfekt. 

Sungjin hatte ihn von der ersten Sekunde an ins Herz geschlossen. Ich hatte noch nicht so wirklich die Chance, ihm die ganze Geschichte zu erzählen, wie wir uns getroffen hatten. Auf die Frage, woher wir uns kannten, hatten wir einfach von Kai und Jimin erzählt. Über Freunde eben. Auch wusste ich noch nicht, ob ich es ihm überhaupt sagen sollte. Mein großer Bruder hatte die Angewohnheit, sich in manche Dinge zu sehr reinzudenken. Ich wollte nicht, dass er sich im Endeffekt einmischte und mir das alles vielleicht sogar versuchte auszureden. Er mochte Taehyung, aber es war vielleicht gut so, dass er nicht wusste, was alles passiert war. Er würde sich nur Sorgen machen — um uns beide — und das brauchte er wirklich nicht.

BEING WITH HIM, kookvWhere stories live. Discover now