1. Kapitel

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Krieg? Es wäre eine wahre Beleidigung, die wenigen Scharmützel vor rund 60 Jahren einen Krieg zu nennen. Zweiter vampirischer Bürgerkrieg, dass ich nicht lache?! Keine zwei Jahre hielt er an. Die Blutsauger haben nicht einmal die Kaiserreich Hauptstadt Calicedam eingenommen. Das war kein Krieg, nein.

   Der erste Vampirische Bürgerkrieg vor beinah 1.200 Jahren, der trug diesen Namen würdig. 23 Jahre Schreckensherrschaft unter der bleichen Königin. Unvorstellbare Gräueltaten, Leiden ohne Grenzen. Die wenigen Überlieferungen von unseren Historikern zeichnen undenkbare Schrecken ab. Der Rest des Kontinents Auervam hat Schriften, Kunde, ja sogar Lieder über diese Zeit schlicht verbannt. Als hätte jedes Wesen in den unzähligen Königreichen und Ländereien still entschieden, die dunkelste Stunde dieser Welt zu vergessen. Und wer könnte es ihnen verübeln."

Aufzeichnungen von Zartarnar aus dem Volk der Rotsonnen

Händler und Söldner in der freien Stadt Solem

60 Jahre nach dem Zweiten Vampirischen Bürgerkrieg.


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Das westliche Meer des Kontinent Auervam

Höhe nördliches Kaiserreich

Sieben Jahre nach Beginn des Ersten Vampirischen Bürgerkriegs


Der Norden trug eine starke Brise, die seine lockigen Haare stärker als sonst durchfegte. Die blonden Wellen wirbelten unruhig um das ansehnliche Gesicht. Selbst mit der schwarzen Kapuze auf seinem Haupt wackelten seine Strähnen im Wind des Meeres.

   Würde die Kapuze fallen, es wäre dem Mann ein unvergleichbares Leid. Er, der ruhig in die ewigen Wellen des Meeres starrte, er nannte die Sonne seinen schlimmsten Feind. Denn er war ein Vampir und seine Art war auf alle Zeiten verflucht durch die Sonne hinweg verbrannt zu werden.

   Dallos sah diesen Mann an und musste sich an sein eigenes Gesicht fassen. Sein kurzer Bart fühlte sich in der Kälte steifer an, seine Finger schmerzten arg, in ihnen floss rotes, warmes Blut. Sein hellbraunes Haar hing gerade so über seine Ohren, doch hielt diese nicht warm. Alles an dem Menschen zitterte, nicht wegen dem Untoten, sondern schlicht wegen der Kälte. Alles, bis auf seine grünen, wachen Augen, die aufmerksam den Vampir beobachteten.

   Als dieser sich langsam zu ihm umdrehte und dessen schmales Lächeln Dallos wie eh und je begrüßte, wusste er erneut, dass er für diesen Mann sterben würde.

   „Ich wollte dich nicht stören, Kun." Dallos wand den Blick sofort nach unten, als der Vampir ihn mit seinen blaugrauen Augen durchlöcherte.

   „Dallos, stören tust du mich nie. Ich habe dich einfach nicht herantreten hören." Kun trug eine schlichte braune Hose und darüber ein weißes Seemannshemd. Wirklich elegant und von wahrer Größe fiel sein Mantel. Der schwarze Stoff hing lang und leicht an seinem Leib herab und flatterte im Wind wie eine mächtige Kriegsflagge. Wie jeder Vampir unter der bleichen Königin trug er die rote Hand auf seiner Brust, an der Stelle, wo einst ein Herz schlug.

   Dallos musste schmunzeln, als er erneut seine Nase hochzog. Der Norden ließ diese öfter und stärker laufen. „Ich? Mich an dich angeschlichen? Schwächeln deine Sinne langsam? Wirst du tatsächlich alt?"

   Der schöne Vampir kicherte. „Der Wind, es ist dieser Wind. Seit unzähligen Jahren nenne ich die See meine Heimat, doch etwas liegt in diesem Wind, etwas, was mir nicht gefällt." Kun streckte sich ein wenig, dabei entblößte er seinen Kiefer dem stetig präsenten Sonnenlicht. Es zischte und man roch verbranntes Papier. Aber jemand so alt und bewandert wie der Admiral der toten Meere, Kun Silithrilanil, wurde nicht durch einen einzelnen Sonnenstrahl ausgelöscht.

Die bleiche Königin - Geburt des TerrorsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt