10. Kapitel

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Man hätte den Anblick des frisch eroberten Dorfes Flispa beinah für unbeachtlich halten können. Die breiten Holzhütten kuschelten sich an dem unbenannten Fluss und überall standen Menschen, ihre Leiber ruhig wie die Bauwerke selbst. Nur waren es nicht die gewöhnlichen Bewohner des Dorfes, sondern deren Besatzungsmacht.

   Das klagende Heer drohte allein mit seiner Anwesenheit in jedem Winkel der Siedlung, ihre verzweifelten Augen zuckten flehend hin und her. Alle standen unter dem Befehl, jeden Funken Widerstand als Anlass zu nehmen, die gesamte Bevölkerung hinzurichten.

   Und neben den Sklaven trauerten die eigentlichen Bewohner des Dorfes, erkannte ein mancher unter ihnen eine der Puppen. Leises Schluchzen drang aus den Gassen hervor. Doch kein Blut schmückte den Boden, keine Leichen faulten am Straßenrand. Flispa fiel nur durch Worte über Schandtaten, nicht durch solche selbst.

   „Herr Dorrash hat seine Bedingungen der Kapitulation verständlich ausgedrückt?" Dallos schüttelte sich die braunen Locken aus dem Gesicht und grinste auf den kleinen, runden Gremsa neben sich.

   Der dicke Mann schwitzte unerlässlich und strich sich durch das wenig übrige Haar, seine kleinen Augen trauten sich nicht hoch. „Hat er. Und niemand hat vor es zu brechen."

   Die beiden Männer schlenderten durch das besetzte Flispa, Dallos Gang tatsächlich fröhlich, Gremsa zog sich gezwungen und unter Todesangst hinterher.

   „Sehr gut. Ihr habt starke Männer und Frauen hier, Gremsa. Sind sie nicht gewillt unter der bleichen Königin zu leben, sind sie gezwungen unter ihr zu dienen."

   Ein leises Schnaufen hinter den beiden zeigte, Leonar fand diesen Spruch wohl äußerst amüsant. Dallos warf ihm einen verschmitzten Blick zu und zwinkerte kurz.

   „Keiner will Teil dieser ... niemand will so dienen. Sie sind ruhig. Alle. Und die Informationen über die Elfen des Nordes gab ich Euch auch!" Gremsa blieb fast stehen, Ausdruck seines Flehens.

   „Alles bekommen und alles verwertet, guter Gremsa. Herr Dorrash ist äußerst erfreut. Kehrt zu Euren Ältesten zurück. Verbreitet die Kunde vom Ende des Geschlechts der Saspi und des Nilso. Der Bengel Palka bleibt hier, in der Mitte des Dorfplatzes. Dort bleibt er ewig stehen, Erinnerung an unsere Herrschaft und die Dummheit der letzten. Ihr empfangt ab jetzt unsere Befehle und ihr sorgt dafür, dass sie umgesetzt werden. Und nun geht! Wir kehren in wenigen Stunden, vielleicht Tagen wieder. Benehmt Euch, wir lassen einen Großteil des Heeres hier. Und deren Befehl bleibt gleich. Am Ende die bleiche Königin!" Dallos neigte sein Haupt, der Gruß von Milanas Truppen ernst ausgesprochen.

   Gremsa rieb sich nervös die Hände und setzte zu einer zittrigen Verbeugung an, da zischte Dallos. „Nicht vor mir! Geht!" Wie gesprochen verschwand der dicke Mann in Richtung der Dorfhalle.

   Leonar hielt dabei den nichtssagenden Blick immer noch Richtung Gremsa. „Und? Erkennst du in dem den Willen zum Widerstand? Erinnert er dich an Verräter und Königsmörder? Erinnert er dich ... an dich?"

   Der Mann aus Rehmar sah zu Leonar hoch, sein falsch fröhliches Gesicht fing wieder an zu bröckeln. Hinter der ewig dichten Maske ruhte eine Gestalt des Wahnsinns und Leonar wusste kurz nicht, was gleich geschehen würde.

   Doch Dallos fing sich. „Nein, nein tut er nicht. Und mich als Verräter oder Ähnlichen zu bezeichnen, das lasst mal lieber schnell sein." Er schlug Leonar auf die Schulter, die lockere Geste mit versteckter Drohung gepaart.

   Da räusperte sich der Mann Badazans erneut. „Ihr habt mich einmal sehr gespannt nach meinem Leben ausgefragt. Sogar nach der Nacht, in welcher ich den Kaiser erschlug. Nun versteckt Ihr Eure Geschichte, wie Vater und Onkel, Bruder durch Eure Hand allein starben? Wolltet Ihr den Thron? Die vielen Orksklaven von Rehmar für Euch?"

Die bleiche Königin - Geburt des TerrorsWhere stories live. Discover now