14. Kapitel

278 29 135
                                    

„Schlimmer als die Spiegelflächen sag ich euch." Dallos warf einen weiteren Scheit ins Feuer und rieb sich die kalten Hände. „Hat die je einer von euch gesehen, die Spiegelflächen?"

   Durch den Gang durch die Schatten, die unnatürliche Weise der Teleportation der Vampire, waren die drei an den Norden der Insel Skjaldir gelangt. Der eisige Wind peitschte sofort um ihre Körper und die Kälte schnitt in ihre Haut wie tausende kleine Nadeln und ihre Körper begannen sofort zu zittern. Die Insel lag im Westen flach und in der Höhe des Meeresspiegels. Doch je weiter man gen Norden und Osten lief, umso mehr erhob sie sich, gewann Gebirge und dazu kam ein kalter Wind und harter Schnee. Einzig die Rauchschwade des mächtigen Vulkans ganz im Südosten vermittelte ein Anzeichen von Wärme. Die nördlichen Klippen der Insel vor ihnen waren war nun gut 200 Schritt über dem Meeresspiegel.

   Nach langem Tagesmarsch saßen die drei nun um ein kleines Feuer herum, suchten Schutz in der schwindenden Wärme.

   Leonar hörte nicht zu, er drehte seinen neuen Schild zwischen seinen Fingern und starrte in die Flammen. „Einmal. Als Junge."

   Dallos strahlte wie ein Kind vor einer schönen Geschichte, kratzte seinen kurzen Bart. „Erzähl."

   „Lang, glatt, kalt. Ewig. Das Reich des Eises ist ohne Ende." Leonar stockte, wusste nicht, wie man eigene Bilder durch Worte für Fremde malt. „Eine Ebene glatt wie ein Spiegel, kältester Ort der Welt. Hat den ganzen Norden Auervams in seiner Hand, verbindet alle Kontinente am Kopf. So wie es Liradem, die brennenden Weite, im Süden dieser Welt tut."

   Dallos erkannte seine Bemühungen und lächelte Leonar dankend zu. „Wahnsinn. Will man sich gar nicht ausmalen dort zu leben. Und die Elfen tun es einfach. Muss furchtbar kalt sein ... einsam."

   Marah rollte sich zusammen und keuchte warme Luft in ihre Kleidung. „Niemand zwingt dich, Dallos. Und Spiegelflächen und Liradem sind für uns von wenig Interesse. Dazu, das hier ist nichts im Vergleich zu den Spiegelflächen. Ich kenn mich aus mit den Arka Ir und ihrem Reich. Man sagt, selbst die Drachen erfroren einfach in der Luft. Fielen hinab und ihre toten Körper zerschellten an der glatten Ebene."

   „Warum?" Leonar kramte in seiner neuen Rüstung herum. Der Stahl ähnelte dem seiner alten, doch es gab Unterschiede, die den großen, kahlen Mann zu stören schienen.

   „Warum was?" Marah sah ihn misstrauisch an.

   „Warum kennst du dich mit dem Norden und den Arka Ir aus? Woher? Und warum bist du überhaupt in den Diensten von einer Macht wie Schwester Fabienne?"

   Die beiden musterten sich wie hungrige Wölfe, da fauchte Marah. „Selbe Frage kann ich dir stellen, Fremder. Badazan? Wirklich?"

   Leonar musterte die kleine Frau, seine Augen hafteten auf ihrem Ärmel, in dem eigentlich ihr fehlender Arm stecken sollte. „Badazan. Und ja, Ihr habt recht. Selbe Frage ist gerecht mir gegenüber. Ich komme aus dem Haus der verlorenen Stadt Badazan. Und mein Haus soll endlich Ruhe finden. Und die Ehre, die ich mit diesem Namen trage, teilt sich diesen Platz mit meiner Schande. Meine Familie reiste umher, bettelte sich von einem Haus ins nächste. Viele aus dem Geschlecht Badazan heirateten über die Jahrtausende in andere Städte ein, verschwanden in den Fäden der Zeit. Doch nicht so meine Familie, mein Blut. Uns wurde immer gesagt, wir holen unsere Stadt zurück, finden sie eines Tages wieder. Wir geben uns nicht auf. Und das seit so langer Zeit. Und Zeit ist grausam, so sagen selbst die Vampire.

   Kummer zog über sein Gesicht. „Erst schlief mein Geschlecht in Gästehäusern, Palästen, dann in Barracken und irgendwann gaben wir uns mit Ställen zufrieden. Keiner der meinen weiß, wann Badazan fiel. Keiner weiß mehr warum. Wir kannten seit unserer ersten Stunde nur das Aushaaren, Warten und Suchen. Ich dachte eigentlich, die Stadt sei verschollen. Unter den Vampiren habe ich dann gelernt, sie ist nicht wiederzugewinnen" Der Mann starrte auf seine Füße. Er sah all die Wege, Reisen, all das Leid, das seine Familie freiwillig, hoffnungsvoll erduldet hatte.

Die bleiche Königin - Geburt des TerrorsWhere stories live. Discover now