9. Kapitel

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Nur kurz blickte Saspi aus dem felsigen Spalt hervor, da schlich sich die Sonne sofort mit scharfen Strahlen in ihre Augen. Die alte Frau zischte kurz, fast musste sie niesen. Doch sie behielt ihren Kopf im warmen Schein der Sonne, hatte sie schon vermisst.

   Sie waren erst seit einem halben Tag unterwegs und Saspi vermisste den Wind, die Wärme und die Farben der Insel Skjaldir mit ihrem ersten Schritt in die verborgenen Höhlen entlang ihres Flusses. Doch in dem unterirdischen Pfad Richtung Westen waren sie sicher und ihr war das Wohl ihres Volkes wichtiger als ihr eigenes Gemüt.

   Im Osten der Insel entsprang inmitten der harschen Gebirge der unbenannte Fluss, welcher sich langsam gen Westen schlängelte. In Flispa selbst verlief er nur durch einen Mann tiefen Graben, doch weiter westlich floss er durch ein fast Baum tiefes Tal. Und entlang des Flusses gab es unendliche Höhlen, geheime Pfade, zweifellos durch den Fluss selbst geschlagen.

   Ihr Volk nutzte diese Verstecke jeher, um sich heimlich aus dem Dorf Flispa zurückzuziehen. Sie erinnerte sich an das letzte Mal in diesen Tunneln. Damals standen die dreckigen Spitzohren aus dem Norden vor ihren Toren, die Eiselfen, Arka Ir. Damals war sie noch eine junge Frau mit unerschütterlichem Willen und den passenden Muskel dazu. Doch nun war Saspi alt und mit dem Alter kam die Unsicherheit.

   „Darf ich auch?" Die kleine Hand zog unermüdlich an ihr. Ihr Enkel Palka mochte die dunklen Pfade genauso wenig wie jedes andere Kind.

   „Nicht jetzt, kleine Krabbe." Saspi streichelte ihm durchs lockige Haar und schaute den unterirdischen Pfad entlang. Fast alle kampfunfähigen Männer und Frauen als auch die Kinder waren ihrem Ruf gefolgt und schoben sich durch die Tunnel Richtung Westen, Richtung Sicherheit. „Such deine Freunde und pass auf deinen Kopf auf. Der Fels hier ist hart."

   Palka wand sich geschlagen ab und setzte gerade zu einem Pfiff an. „Wer hat Angst, wenn sie da kommt, Milana steht vor deinem ..."

   Saspi fuhr ihm über den Hinterkopf, nicht hart, doch ermahnend. „Lass das. Und diesen Namen. Lass ihn. Er macht allen hier Angst, verstanden?"

   Der kleine Junge blinzelte bereits mit Tränen in seinen Augen.

   Doch Saspi schaute ihren Enkel weiterhin harsch an. „Und jetzt ab zu deinen Freunden. Und leise, verstanden kleine Krabbe?" Er verschwand, sein kleiner Körper warf verzerrte Schatten an die kantigen Wände.

   Vor kurzem befand er sich noch in absoluter Todesgefahr, wurde beinah zu Tode gewürgt von einem Wahnsinnigen. Und heute frohlockte er wie an jedem anderen Tag. Ihr Enkel war aus dem richtigen Holz geschnitzt.

   Saspi stöhnte geschlagen, da griff sie eine andere Hand sanft an der Schulter. „Herrin. Sollen wir rasten?" Die alte Revgha, treues Kräuterweib aus Flispa, starrte sie mit ihren eingefallenen Augen an. Das wenige dünne Haar auf ihrem Kopf wirkte wie Spinnenweben frisch von der Decke gefallen, wie eine Leiche auferstanden aus einer Gruft sah sie aus.

   „Nein. Bevor wir nicht am Turm sind, rastet niemand." Noch immer fuhr Saspi die schrille Stimme des besessenen Kaiserlichen durch den Kopf. Er kam sie alle zu töten, das gegen seinen eigenen Willen, wirkte wie eine Puppe an unsichtbaren Fäden. Und seither schlug Saspis Herz ein wenig schneller.

   Revgha riss sie aus ihren fürchterlichen Gedanken. „Herrin. Der Rest ist müde. Wir alle respektieren und schätzen euer Wort, doch viele fragen sich, warum die Eile, warum die ..."

   „Weil ich es sage, Revgha! Weil sie nicht gesehen haben, was ich sah, weil ..."

   Bei diesen Worten fiel die kleine Revgha noch mehr in sich zusammen, eingeschüchtert und müde.

Die bleiche Königin - Geburt des TerrorsHikayelerin yaşadığı yer. Şimdi keşfedin