20. Kapitel

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„Es sind zu viele!" Leonar schwang die in Blut getränkte Kugel seines Morgensterns umher, traf den nächsten Unglücklichen an der Seite des Schädels.

   Knochen barsten, Schreie ertönten, Blut floss.

   Das sonst so stoische Gesicht des breiten Mannes war in brennende Wut verzogen.

   Dallos hielt sich die Masse mit der Spitze seines Langschwerts vom Hals, der Rubin inmitten der Klinge glänzte gierig auf, als würde er ungeduldig auf den Tod des Mannes aus Rehmar warten. 

   Nur Marah stand weit hinter den beiden, in ihrer verbleibenden Hand ihr Degen, ihre Stöße gezielt. Hob einer der Bauern die plumpe Waffe zu einem hinterhältigen Schlag Richtung Leonar oder Dallos, eilte sie vor, stach diesem in den Hals und sprang zurück. Die Leichen des einfachen Volkes begannen das grüne Gras zu bedecken, doch ihre Masse nahm nicht ab.

   Die Bauern überrannten sie nicht sofort, hingen wohl doch noch ein wenig an ihrem Leben. Ein einzelner, schmutziger Mensch war kein Gegner für die drei Verräter, doch eine solche Gruppe barg ungeahnt schnelle Gefahr.

   Bald wurden die drei in die Höhle zurückgedrängt, ihre Waffen glänzten rot von dem Blut der Kaiserlichen.

   Marah pfiff mehrfach laut, Dallos und Leonar erkannten ihr Signal, am Anfang der Höhle lag der Tunnel.

   Mit ausgestreckten Waffen drückten sie sich langsam rückwärts hinein, schlachteten den gelegentlich mutigen Bauern ab, der sich zu viel Glorie erhofft hatte. Im Gang selbst erkannten sie rasch dessen Vorteil. Er war keine zwei Mann breit und barg ihnen so Schutz vor der ungebremsten Masse.

   „SCHLACHTET SIE AB!"

   „BLUTSVERRÄTER!"

   „HÄNGT SIE!"

   „BRENNT SIE NIEDER!"

   Die Rufe dröhnten hier in dem Tunnel lauter, schienen sie aus den Schatten zu jagen. Währenddessen klimperte die kleine Musikbox weiter, das schöne Kinderlied immer noch klar zwischen den Mordrufen zu hören.

   „Gibt es einen Weg hinaus? Wohin führt der Gang?" Dallos schüttelte Marah an den Schultern, während Leonar einen weiteren Mann niederstreckte. Mit jedem Toten bauten sie sich mehr hier unten im Dunkeln ein.

   „Nein, nein. Am anderen ist das die eingestürzte Farm, kein Ausgang mehr!"

   Leonar schleuderte wieder seinen Stahl und ein Leben schwand. Langsam fühlte sich der Tunnel mit Leichen und das Licht vertrocknete, ihre Augen wurden der Dunkelheit überlassen.

   „BRENNT SIE AUS! FEUER! HOLT FEUER!"

   Kurz schaute Leonar nach hinten. „Wir sind hier nicht sicher, gefangen wie Ratten im Keller."

   „Erst steh ich einem Werwolf gegenüber, dann einer Truppe Nordmänner, einem Menschen aus dem Blut der Sonne selbst und sogar einem wilden Drachen." Dallos Stimme schwang auf und ab, doch sein Lächeln hielt sich. „Nur gerecht, dass ich durch einfache Bauern sterbe. Nur gerecht. Ich lüge nicht, es gäbe bessere Begleitung fürs Sterben. Doch auch deutlich schlechtere. Hätte ich noch etwas davon, es war mir eine Ehre."

   Marah huschte zu ihm, drückte die warnende Hand von Leonar hinweg. Der Mann aus Badazan traute Dallos noch nie gänzlich, vor allem nicht mit seinem Tod.

   Doch die schöne Frau ergriff die Hand des Mannes aus Rehmar und drückte diese an ihre Brust. „Wir sterben nicht, nicht so, nicht für sie. Wir verlangen jetzt ein!"

   Dallos runzelte die Brauen, dann zischte er scharf. An seinem Unterarm glänzte plötzlich ein feiner Schnitt. Strahlendes Rot drang aus seiner Haut hervor, dann floss es kräftig aus seinen Adern hervor, ein Wasserfall der Treue. Doch sein Blut berührte nicht den Boden, wurde es doch vorher aufgefangen.

Die bleiche Königin - Geburt des TerrorsWhere stories live. Discover now