23. Kapitel

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„Tue nicht so, als wäre es nichts." Leonar erhob sich langsam von dem morschen Baumstumpf zu Dallos heran. „Du musst dich nicht verstellen. Kein falsches Gesicht aufsetzen. Ich sehe deinen Körper, spüre dein Leid. Die Sonne?"

   Dallos schaute freundlich doch matt zu seinem Begleiter. „Nein, mein Freund. Nie wieder Maske, nie wieder falsch. Und ja, die Sonne."

   Sie standen unter einem breiten Baum am Rande eines kleinen Wäldchens. Äste und Blätter über ihnen warfen tiefen Schatten, doch Dallos verhüllte seinen Leib dennoch in dicken, roten Stoff. Allein die Augen des Vampirs spähten unter dem Gewand hervor. Die Farben blieben dieselben, doch schien es, als wäre das Licht, das Leben aus ihnen gewichen.

   „Ich lüge dich nicht an, es sind Schmerzen ohne ihres gleichen."

   Leonar rückte sich vor Dallos, als könne er ihn so schützen. „Die Strahlen?"

   „Die Welt. Das Rauschen des Windes lässt meine Ohren platzen, das Licht des Tages brennt meine Augen dahin, Wärme und Kälte erschüttern meine Haut. Und der Geruch. Sterbliche riechen, stinken über Meilen entfernt."

   Weit in der Ferne sahen sie die Umrisse der Stadt an der Schlucht, Orkensang. Dallos konnte sie dazu auch noch hören und riechen. Und er war froh um die Distanz, die Reize aus der Stadt waren beinah zu viel für ihn.

   „Weiter als hierher trauen wir uns auch nicht vor." Leonar wand sich zum Wald hinter ihnen. Dort zwischen den Bäumen, unter breitem Tuch versteckt, thronte der absurde Leib des toten Drachen, benäht mit menschlichem Fleisch. „Wir testen und sehen und fliehen. Mehr nicht."

   „Du bist nervös. Und du denkst an sie." Dallos drehte sich wie eine Flagge im Wind. „Deine Gedanken, sie brüllen aus deinem Kopf, wie aus einem angebrochenen Weinfass sickern sie aus dir heraus."

   Nur leicht rümpfte Leonar die Nase, erstaunt über den kleinen Vertrauensbruch zwischen ihnen, den seltsamen Freunden.

   „Verstehe mich nicht falsch, Freund. Ich spähe nicht mit Absicht, doch, dein Kopf ist so laut, schreit so viel. Mehr als deine Stimme es je tat." Dallos Gesicht zauberte ein müdes Lächeln hervor. „Ich höre und sehe dich mehr als je zuvor. Du bist ... wunderschön."

   Leonar verzog das sonst so ausdruckslose Gesicht zu einem Lächeln. „Keine Woche Vampir und schon Philosoph? Arschloch!"

   Ihr Gelächter hallte durch das Dickicht und jeder Moment war aufrichtig ehrlich. Als sie sich wieder gefangen hatte, riss Leonar das Tuch von dem verhüllten Drachen.

   Es begrüßte sie eine Missgeburt aus schlechten Träumen. Von außen sah es grob wie ein Drache aus, vier Beine, Körper, Flügel und die Schnauze, war alles an ihm aus menschlichem Fleisch genäht.

   „Ich will diesen hier nicht länger warten lassen. Also Dallos. Du hast Dorrash oft genug zugesehen." Der Mann aus Badazan stellte sich neben die Abartigkeit und wartete gespannt.

   Dallos berührte den Drachen mit zwei Fingern aus dem Stoffschutz hervorgeholt. „Das Blut des Gabara liegt in seinem Fleisch?"

   „Blir selbst sorgte dafür, ja. Und ein Schluck davon landete unfreiwillig in Marahs Magen."

   Dallos konzentrierte sich bereits gänzlich auf das Gebilde. „Es brauch nur wenige Vampire in dieser Welt um sie zu unterjochen. Und so braucht es nur einen Tropfen meines Blutes um diese hier zu brechen. Das sagte Dorrash immer." Er schnitt sich in einen Finger zu bluten und rasch drückte er ihn ins verdorbene Fleisch. 

   „Und? Hört er? Saso?"

   Dallos blickte Leonar fragend an. „Saso?"

   „Entschuldigt, ich meinte ein anderes Wort. Ich bin nervös." Der große Mann hielt seinen Blick auf dem Monstrum.

Die bleiche Königin - Geburt des TerrorsWhere stories live. Discover now