19. Kapitel

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Seit Aufgang der Sonne warteten sie am Gipfel eines kleinen Hügels. Weit ab von ihrem Lager ruhte der schimmernde See, nur umrundet von vereinzelten Büschen und Bäumen. Das Gewässer floss groß genug, es bei einem Schwimmgang zu respektieren, doch konnte man das andere Ufer noch genau erkennen.

   In den ersten Strahlen Áhns schimmerten die sanften Wellen auf, glitzerten der Welt entgegen und der weit entfernte Vogelgesang flog gleich mit. An dem See ruhte ein weiterer Hügel, ein klaffendes Loch zeigte den Eingang zu einer nicht unbeachtlichen Höhle. Auf der anderen Seite des Sees ruhten die Gemäuer einer Farm, doch schien das Holz gebrochen und von Unkraut überwuchert zu sein. Kein Mensch war darin zu sehen.

   „Wo steckt der Bursche?" Seljo lag gänzlich still im Gras, seine Augen suchten präzise. „Keckdrache. Ich las, Gabara wären so groß wie ein Karren, etwas mehr sogar. Er kann sich nicht verstecken."

   „Nicht dort? Ist er umgezogen? Die Hütte?" Marah rückte an den Rotsonnen.

   „Unwahrscheinlich. Eure Antwort zeigt Euch nicht als Meister der Jagd. Nicht wie ein Rotsonnen jedenfalls." Der Sonnenkrieger ergriff die Gelegenheit zum Prallen sofort. „Seht die Ufer, die Seeränder, die Bäume. Ein Ort zum Nisten. Doch keine Tiere. Nichts. Weil der See noch ihm gehört. Das spüren sie. Das Dach der Farm fehlt, eingefallen, zerstört. Zu eng sich dort zu verstecken. Bei dem Hügel mit der Höhle, da wird sein Hort sein. Die ist groß genug und sicher. Wenn, dann ruht er dort. Er ist hier, aber wo?"

   Leonar räusperte sich. „Sollen wir zum Hort? Ihm eine Falle stellen?"

   Seljo schüttelte vehement den rothaarigen Kopf. „Sicher nicht! Er würde uns von innen bereits am Höhleneingang zerfetzen können."

   „Und? Wenn wir brennen, fliehen wir in den See." Dallos sah den Rotsonnen fröhlich an, doch dieser wedelte die Idee ab.

   „Nicht brennen. Zerfetzen. Von dem was ich weiß, ein Gabara spuckt kein Feuer."

   Auf einmal bebte es vor ihnen auf. Die stille Haut des Sees brach auf und ein gigantischer Körper schüttelte sich aus den Wellen hervor. Der Leib war groß, wirkte eher zwei Karren mächtig, doch nicht der eines typischen Drachen. Körper und Flügel waren solche eines Schwans, die Federn leicht grünlich und darunter harte Schuppen zu erkennen. So auch der Kopf, die Fratze wirkte wie eine Missgeburt zwischen Vogel und Echse und trug doch die Eleganz eines Schwans in sich. Der Gabara schüttelte sich, zupfte seine Federn und trieb langsam im See umher. Selbst aus der großen Entfernung fühlten sich die kleinen Menschen in gefährlichem Territorium.

   Plötzlich schoss ein Habicht aus einer der Baumkronen hervor, flitzte über die frischen Wellen des Sees hinweg und flog eilig gen Höhe.

   Der Keckdrache fixierte den Eindringling sofort, die Schnauze wie eine Armbrust auf den Vogel gerichtet. Schlagartig öffnete sich das Schnabelmaul und die Menschen lernten eine neue Definition von Laut.

   „KEEEEEEEEEEHHH!!!"

   Der Schrei fetzte gen Himmel, Richtung des Habichts, doch selbst die weitentfernten Menschen mussten ihre Ohren zuhalten, zu kräftig zwang sich der Druck des Rufs in ihre Körper.

   Der eindringende Vogel zuckte, hielt sich noch kurz in der Luft und platzte dann blutig und mit fliegenden Federn auf, wurde mitten im Flug zerfetzt.

   Der Gabara schüttelte sich, schnappte sein Maul auf und zu und zupfte wieder seelenruhig an seinen Federn.

   „Kein Feuer, junger Lokjef, kein Feuer." Der Rotsonnen zeigte auf den Hals des Drachen. „Ein Schrei stark genug einem Mann das Herz in der Brust bersten zu lassen."

Die bleiche Königin - Geburt des Terrorsحيث تعيش القصص. اكتشف الآن