27. Kapitel

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Das Sein und das Nichts standen sich gegenüber und rüsteten für den Krieg.

   Die Truppen Milanas erkannten den eisernen Willen ihrer Königin und man packte Waffe und Rüstung fest. So sahen es auch die gesammelten Menschen vor der Stadt Calicedam. Die bunte Masse war durchdrungen von Rufen, man feuerte sich stetig an, sah die Hoffnung nicht verloren.

   An den teils noch zerstörten, weißen Stadtmauern wehten bereits neue und doch alt bekannte Flaggen, das ewige Zeichen des Kaiserreichs spottete den Vampiren entgegen. Darauf zu sehen war ein Schwert ohne Griff, ein Schild mit vier Ecken und ein Buch offen.

   All der Trubel vor ihnen war ohne Bedeutung, erkannten die Vampire doch ihren neuen Feind in sterblicher Mitte. Die Gestalten mit vollem rotem Haar und weißer Haut ragten größer als jeder gewöhnliche Mensch, Elf und Zwerg. Wo die anderen eilten, standen diese nur felsenfest in ihrem Stand, alle Augen auf die Vampire gerichtet, auf die bleiche Königin. Die Rotsonnen warteten bereit, ihren Erzfeind von diesem Bild zu brennen.

   Die Sonnenkrieger traten gleichzeitig und in einer Reihe vor, stellten sich vor die restlichen Sterblichen und hoben je eine Hand gen Himmel, zur Faust geballt. Zunächst sah es aus wie eine Geste der Solidarität, dann formte sich rasch ein Angriff daraus.

   Aus allen Fäusten schoss plötzlich beißendes Sonnenlicht. Wie ein konzentrierter Strahl flog die Wärme zu den Vampiren und manch einer zischte schon, war das Licht dieser Krieger doch stärker als die Sonne selbst. Auch die Sicht war ihnen allen genommen, sie standen einer Wand aus Licht und Hass gegenüber.

   Die normale Anwesenheit von Áhn an einem so wolkenfreien Tag wie diesem war für viele Vampire schon eine Belastung hoher Stufe, doch die Darbietung dieser Künste über die Urgewalt trieb dem untoten Volk gewaltig Angst in die Gebeine.

   „Meine Herrin! Milana! Bedeckt Euch!" Admiral Kun Silithrilanil eilte zu Milana und stellte sich mit dem Rücken in die gleißenden Sonnenstrahlen. Seine blonden Haare begannen zu dampfen, so auch seine offenliegende Haut, der Admiralmantel hatte zu kurze Ärmel.

   Mit einem Scheppern trat Ritter Ankis neben sie. „Ein paar Dutzend, vielleicht sogar 100. Verteilt, alle entlang der Front."

   „Sie spotten Euch, Herrin!" Schwester Fabienne fauchte, ihr Gesicht in Empörung verzerrt. „Welch eine Frechheit, wer wagt sich so der bleichen Königin zu stellen?! Wir sollten sie alle ..."

   Milana unterbrach Fabienne mit einem Kichern. „Beruhige dich Fabienne. Vor allem aber du, Kun." Sanft strich sie dem schönen Vampir über die Wange und schob ihn dann liebevoll zur Seite. Unter aller Erstaunen trat Milana vor.

   Die Rotsonnen mussten den Gang der bleichen Königin erkannt haben, ihre Fäuste ragten nun alle in ihre Richtung, das Licht greller denn je.

   Milana stellte sich an den Rand des Schattens vor ihrem Zelt, musterte die ach so ewig wandelnde Grenze zwischen Licht und Dunkel, dann trat sie vor. Dampf drang aus ihrer Haut, sofort war die elegante Frau eingehüllt, ihr schwarzes Kleid und ihre weißen Haare nur noch schemenhaft zu erkennen.

   Aber die bleiche Königin schrie nicht, noch fluchte sie. Stattdessen hob sie die Arme und blickte mit aller Liebe gen Himmel, direkt in die Sonne, schloss die Augen in Genuss. „Oh Áhn, alter Freund. Deine Berührung ist so angenehm wie am ersten Tag." Milana drehte sich seelenruhig einmal im Kreis. „Es tut mir so leid, Áhn, so leid, dass sie dich zwingen und nötigen deine Freunde so zu misshandeln. Ich nehme es dir nicht böse, keine Wunde meiner, keine Pein."

   Sie blieb stehen, ihre weißen Augen Richtung der Rotsonnen, ihre roten Lippen nun in bissiger Freude verzerrt. „Sie spotten nicht mir, mit diesem lächerlichen Sonnenzauber, sondern dir, alter Freund Áhn, sondern dir. Ich entschuldige mich für ein Volk so frech und arrogant." 

Die bleiche Königin - Geburt des TerrorsWhere stories live. Discover now